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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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wurde.
    »Dann musst du deinen Wagen rechtzeitig wieder zurückbekommen haben«, sagt Alex. »Du hast doch keine Schwierigkeiten bekommen, oder?«
    »Nicht, soweit ich mich erinnern kann.«
    »Warum versucht du nicht …«
    »Nein, ich werde nicht versuchen, mich noch an irgendetwas anderes zu erinnern. Nicht jetzt. Ich bin erschöpft.« Ich zögere. »Denkst du, dass es ermüdender war, diese Erinnerung zu sehen, weil sie so bedeutungsvoll ist? Weil sie wichtiger ist als andere Dinge, an die ich mich erinnere?« Dieser Gedanke ist aufregend. »Ich komme der Sache näher, Alex. Ich werde schon noch herausfinden, was es mit alldem auf sich hat.«
    Er nickt. »Ja. Ich denke, das wirst du.«
    »Und was dann?« Ich blinzle ihn an. »Was passiert, sobald ich alles weiß?«
    Er denkt über die Frage nach. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht gehen wir dann irgendwo anders hin.«
    »Hmm. Okay.« Wir wissen beide, dass ich die offensichtlichste Frage von allen nicht stellen will: Wo könnten wir sonst schon hingehen?
    »Ich kann nicht glauben, dass du nicht sofort versuchen willst, dich an mehr zu erinnern«, sagt Alex, wie um das Thema zu wechseln. »Bist du nicht neugierig? Möchtest du nicht wissen, was passiert ist, dass du Vince nicht nur gehasst hast, sondern … nun, gezwungen warst, diese Fotos mit ihm zu machen?«
    Wir gehen wieder zusammen durch die Stadt – langsam, damit der Schmerz in meinen Füßen nicht unerträglich wird –, ohne auf irgendein bestimmtes Ziel zuzusteuern.
    »Natürlich möchte ich das wissen. Ich muss mich bloß eine Weile ausruhen, das ist alles.« Und dann kommt mir etwas in den Sinn. »Ich weiß, dass du nicht möchtest, dass ich deine Erinnerungen sehe«, erkläre ich Alex. »Aber würdest du mir wenigstens sagen, ob du irgendetwas Wichtiges erfahren hast?« Und just in dem Moment, als die Worte über meine Lippen kommen, schaue ich auf, um einen Telefonmast mit Alex’ Foto darauf zu erblicken. Die Bilder sind jetzt seit über einem Jahr überall in der Stadt verteilt. Es ist sein Jahrbuchfoto aus der zehnten Klasse, vergrößert und farbig ausgedruckt. Darunter steht: BEI UNFALL MIT FAHRERFLUCHT GETÖTET. 10.000$ BELOHNUNG FÜR INFORMATIONEN, DIE ZUR VERHAFTUNG DES SCHULDIGEN FÜHREN.
    Auf diesem speziellen Plakat hat jemand – zweifellos einer der weniger feinfühligen Burschen von unserer Schule – Alex mit einem Kugelschreiber ein Paar Flügel an die Schultern gezeichnet. Seine Augen sind aus irgendeinem Grund geschwärzt. Die Tat kommt mir unbeschreiblich gefühllos vor; noch schlimmer jedoch ist, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, das Plakat durch ein neues zu ersetzen.
    »Weißt du, was deine Eltern machen sollten?«, sage ich, bemüht zu helfen. »Sie sollten eine Werbetafel anmieten. Vielleicht neben dem Highway. Irgendjemand muss in dieser Nacht doch irgendetwas gesehen haben, meinst du nicht?«
    »Seitdem ist mehr als ein Jahr vergangen, Liz. Sie werden niemanden mehr erwischen.« Er hält inne. »Selbst wenn jemand etwas wüsste, sind zehntausend Dollar hier in der Gegend nicht unbedingt viel Geld.«
    »Dann sollten sie mehr anbieten.«
    »Sie haben nicht mehr. Es ist ja nicht so, als besäßen sie ein Haus voller Antiquitäten, die sie verkaufen könnten, um wieder Bares in die Kasse zu kriegen.« Er spricht schneller; offensichtlich redet er sich in Rage. »Caroline klang wie eine verwöhnte Göre. Dann hat ihr Daddy eben seinen Job an der Wall Street verloren. Na und? Es gibt Schlimmeres.«
    Ich presse einen Moment lang meine Lippen aufeinander. »Alex. Du hast keine Ahnung, wie ihr Leben ist.«
    »Und du hast keine Ahnung, wie mein Leben war.«
    »Gut. Das freut mich. Um nichts in der Welt hätte ich mit dir tauschen wollen.« Ich weiß nicht, warum ich auf diese Weise reagiere; Alex’ streitsüchtiges Verhalten drängt mich dazu anzugreifen.
    Wir sind in der Nähe meines Elternhauses, dicht bei den Piers. »Das wird dich vielleicht überraschen, Liz«, sagt er. »Aber ich hätte auch nicht mit dir getauscht. Ich meine, es wäre sicherlich schön, reich zu sein und diese ganzen Freunde zu haben … aber letztendlich würde ich es nicht tun. In materieller Hinsicht hattest du vielleicht alles, was du nur wolltest, doch man kann beim besten Willen nicht leugnen, dass du ein unglücklicher Mensch warst. Und von all deinem Geld konntest du dir keine weitere Sekunde Leben kaufen, oder?«
    Ich starre ihn finster an. Es ist erstaunlich, wie schnell meine Stimmung

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