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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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abfinden, was ist . Denkst du, ich wüsste nicht, was die Leute über uns sagen? Denkst du, ich würde nicht jeden Tag von neuem bedauern, dass wir nicht mehr getan haben, um Liz zu helfen? Aber wir konnten die Zukunft nicht vorhersehen. Sie hat Zeit mit ihren Freunden verbracht. Sie wollte ihren Geburtstag feiern. Das sind gute Kinder, die wir alle schon ihr ganzes Leben lang kennen. Wie hätten wir ahnen können, dass so etwas geschehen würde?«
    »Wir sollten Josie nicht mit Richie zum Abschlussball gehen lassen. Das macht einen schrecklichen Eindruck. Er ist auf Bewährung draußen, um Himmels willen. Und er war Liz’ Freund.« Er nimmt einen langen Schluck von seinem Bier. »Weißt du, ich bin überrascht, dass die Wilsons ihn auch nur in Josies Nähe lassen. Mein Gott, die hassen uns beide so sehr.«
    »Er und Josie finden beieinander Trost. Sie haben beide ihre beste Freundin verloren.« Sie nimmt ihm sanft das Bier aus der Hand und stellt es zur Seite. »Du und ich, wir beide wissen doch, wie das ist. Als du Lisa verloren hast …«
    »Als ich Lisa verlor und dann dich heiratete, nahm jeder in der Stadt an, wir beide hätten bereits vor ihrem Tod eine Affäre miteinander gehabt. Und Josie sagt, dass sie und Richie sich bereits getroffen haben, als Liz noch lebte. Begreifst du nicht, wie verflucht verkorkst das ist? Kannst du dir nicht denken, was die Leute sagen?«
    Es schmerzt mich zu wissen, wie recht er damit hat. Alle reden darüber. Schon seit Jahren reden alle über unsere Familie.
    Nicole zuckt bloß die Schultern. »Es ist eine Kleinstadt, da reden die Leute eben. Möchtest du lieber wegziehen? Josie mitten in der zwölften Klasse von der Schule nehmen und irgendwo hingehen, wo niemand etwas über uns weiß? Das können wir ihr nicht antun. Sie hat bereits genug durchgemacht.«
    Mein Vater greift an Nicole vorbei und nimmt sein Bier wieder an sich. Er sackt in sich zusammen. »Ist dir jemals in den Sinn gekommen, dass jemand Liz in jener Nacht tatsächlich etwas angetan haben könnte? Diese ganze Sache mit Richie … und jetzt er und Josie?«
    »Wir kennen Richie schon fast sein gesamtes Leben lang. Er hat Liz nichts getan«, sagt Nicole nachdrücklich. »Wenn du anfängst, das zu glauben, bist du genauso wie alle anderen in dieser Stadt.«
    »Vielleicht haben sie ja recht.«
    »Haben sie nicht.« Nicole zögert. Sie reibt den größten Stein ihrer Türkishalskette und denkt nach. »Marshall, ich weiß, dass du das nicht hören möchtest, aber ich gehe häufiger in die Spiritistenkirche, als dir bewusst ist. Dort gibt es Menschen, die mit der anderen Seite in Verbindung stehen. Ich habe mit ihnen über Liz gesprochen.«
    »Du hast recht. Ich will nichts davon hören.«
    »Würdest du mir bitte zuhören? Nur dieses eine Mal?« Nicole lächelt. »Sie hat ihren Frieden, Marshall. Sie ist jetzt an einem besseren Ort. Anstatt tagaus, tagein hier zu sitzen und dir deine Tochter im Wasser auszumalen, möchte ich, dass du versuchst – nur versuchst –, dir vorzustellen, dass sie an einem friedlichen Ort ist, an dem es keine Dunkelheit oder Traurigkeit gibt. Stell dir vor, dass sie nicht mehr stundenlang läuft; dass sie nicht mehr alles tut, um dünn zu bleiben. Stell dir vor, dass sie bei ihrer Mutter ist und dass sie zusammen sind und vielleicht sogar auf uns herunterblicken. Ich bin sicher, sie würden wollen, dass du glücklich bist. Das glaube ich wirklich.«
    Ich schnaube. »Ich kann nicht fassen, dass sie diesen Schwachsinn für bare Münze nimmt«, sage ich zu Alex.
    Er lacht. »Nun, woher sollte sie wissen, dass es anders ist?«
    »Ich weiß, aber das ist alles so … so kitschig . Als wären meine Mom und ich zusammen oben im Himmel. Ich meine, Nicole könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein.«
    Alex nickt. »Aber hoffst du nicht, dass sie recht hat und es eines Tages tatsächlich so ist?«
    Ich antworte ihm nicht. Es ist nicht so, als hätte ich darüber nicht schon selbst nachgedacht. Doch im Augenblick scheint mir das einfach zu viel zu sein, um es sich auch nur wünschen zu können.
    Die Augen meines Vaters sind glasig und feucht. Er wirft seine Zigarre ins Wasser. »Sie war gerade achtzehn. Sie war noch ein Baby. Es war unsere Aufgabe, sie zu beschützen, und wir haben versagt. Ich habe versagt. Genauso, wie ich bei Lisa versagt habe. Ich habe gelobt, ihr in guten wie in schlechten Zeiten beizustehen, und als sie dann krank wurde, ließ ich sie sterben .«
    »Wie hättest du ihr

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