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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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Zeit, um ihn zu betrachten, friedlich schlummernd, das Haar zerwühlt und das Gesicht glänzend von Öl, die Hände in einer beinahe gebetartigen Geste zwischen seiner Wange und dem Kopfkissen zusammengelegt. Ich liebe ihn so sehr, dass es manchmal selbst als Geist noch in meinem Innern schmerzt. Mich beobachtend, wie ich Richie beobachte, würde ich am liebsten zu ihm ins Bett krabbeln und auf ewig dort bleiben, hundert Jahre lang meine Arme um seinen warmen, schlafenden Körper schlingen, bis alles, was in der Zeit um uns herum geschieht, nur noch eine ferne Erinnerung ist.
    Stattdessen streift mein lebendiges Selbst seine Hackenschuhe ab und huscht auf Zehenspitzen neben ihn. Ich streiche ihm das Haar aus der Stirn, und als meine Fingerspitzen ihn berühren, öffnen sich flatternd seine Lider.
    »Hey, Schöne.« Er gähnt. »Ist es schon Morgen?«
    »Mm-hmm. Wir müssen los.«
    Er steht auf, schnappt sich ein Paar zerknitterter Jeans vom Boden seines Zimmers und zieht sie an. Ein T-Shirt, ein Sweatshirt, einmal rasch mit der Hand durchs Haar gefahren und er ist startklar.
    »Was ist das?«, fragt er und nickt in Richtung des Muffins, den ich in der Hand halte.
    »Oh, richtig.« Ich werfe ihn ihm zu, und er fängt ihn mit einer Hand auf. »Für dich. Frühstück.«
    Er grinst mich an. »Du bist so fürsorglich. Du kümmerst dich so gut um mich.« Er legt den Muffin auf seinen Nachttisch. »Im Moment habe ich keinen Hunger; ich esse ihn später. Möchtest du aufbrechen?«
    Ich sehe ihn naserümpfend an. »Willst du dir nicht einmal die Zähne putzen?«
    Er zuckt die Schultern. »Hast du Kaugummi?«
    »Wir haben so gar nichts gemeinsam, weißt du.« Aber ich durchwühle meine Handtasche und werfe ihm einen Streifen Minzkaugummi zu. »Wir sind schon ein seltsames Paar.«
    »Dann solltest du mir den Laufpass geben«, sagt er kauend. »Um stattdessen mit einem Polospieler zu gehen.« Er bläst eine Blase. »Mit so einem Typen hättest du bestimmt viel Spaß. Ihr könntet gemeinsam shoppen gehen, zur kosmetischen Gesichtsbehandlung, zur Maniküre …«
    »Freundinnen habe ich bereits genug. Abgesehen davon entschädigt dein gutes Aussehen für deinen Mangel an Körperpflege. « Ich küsse ihn auf seine glänzende Nasenspitze. »Hab dich lieb.«
    Richie seufzt. »Ich weiß. Ich bin unwiderstehlich. Das ist ein Fluch … und ein Segen.«
    Als wir zur Tür hinausgehen, bleibe ich unvermittelt stehen. »Warte mal. Deo?«
    »Ich dachte, ich lasse dich in den vollen Genuss meiner natürlichen Pheromone kommen.«
    Ich blicke finster drein. »Richie, bitte. Für mich?«
    Er lacht. »Warte, bis du siehst, wer deinen Wagen reparieren wird. Danach kannst du mich gern nochmal über Körperhygiene belehren.«
     
    Ich fahre den Mustang zu der Werkstatt, hinter Richie her, der in seinem Wagen vorausfährt. In einem Vorort von Groton, in einem Teil der Stadt, in den es mich normalerweise niemals verschlagen würde, gibt es eine Autowerkstatt namens Fender Benders , sprich: Unfälle mit Blechschaden. Zunächst wirkt der Laden verlassen; das Ganze ist nichts weiter als ein großes Betonziegelgebäude mit einem Haufen Garagentoren. Werkzeuge säumen drei der vier Wände, und unter der Decke flackern einige grelle Neonröhren. Aus einem Radio in der Ecke der Halle dringt die verrauschte Übertragung der Nachrichten auf NPR. In der gesamten Halle stinkt es nach Rauch, und in einem Aschenbecher neben dem Radio brennt eine Zigarette, obgleich niemand zu sehen ist. Eine fette, sabbernde Bulldogge, die offensichtlich dringend ein Bad benötigt, ist in der Mitte der Halle an einen Stützträger gekettet. Es ist kein Mensch zugegen, ganz zu schweigen von Autos.
    Meine Absätze klacken auf dem Betonboden und erzeugen ein gespenstisches Echo. »Richie.« Ich gluckse, offenkundig nervös. »Wo zum Teufel hast du mich hingeführt? Hier sieht’s aus wie im Neunten Kreis der Hölle.«
    »Das ist der Betrieb meiner Familie. Aber besten Dank, Süße. Ich weiß das Kompliment zu schätzen.«
    Ich drehe mich um, um mich einem großen, dicken Mann gegenüberzusehen, der in Overall und Arbeitsstiefeln vor uns steht. Seine Hände sind schmutzig, mehrere seiner Fingernägel schwarz von Blutergüssen. Oben auf seinem sehr fettigen dunklen Haar thront eine Schutzbrille. Hinter seinem rechten Ohr klemmt eine unangezündete Zigarette; eine angezündete Zigarette baumelt von seinen Lippen, und ich kann mir nicht einmal vorstellen, für wen die wohl sein mag, die

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