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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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umschwingt, wenn es um Alex geht; im einen Moment habe ich Spaß mit ihm, und im nächsten wünschte ich, ich wäre irgendwo anders. Egal wo, bloß weg von ihm. Ich weiß, dass er wütend ist, weil ich vorgeschlagen habe, seine Eltern sollten die Belohnung doch erhöhen. Ich hatte angenommen, das wäre gar kein Problem; dabei wird das Angebot ihre Finanzen in Wahrheit bereits bis an ihre Grenzen belasten. Also war ich gefühllos. Aber gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass er überreagiert. Wir machen gerade beide einen Fehler.
    Er zögert. »Hör zu … Es tut mir leid. Wir sind so gut miteinander ausgekommen.«
    »Mir tut es auch leid.« Ich halte inne. Ich weiß, dass er mit der Aussage über meine Freunde ebenfalls richtigliegt – zumindest bei einigen von ihnen. »Doch das über Caroline hättest du nicht sagen sollen. Sie ist ein guter Mensch, und das weißt du.«
    »In Ordnung. Du hast recht.« Ich merke, dass er sich bemüht, unbekümmert zu klingen. »Hey. Sieh mal, wer da ist.«
     
    Mein Vater sitzt allein auf dem Deck der Elizabeth . Es ist mitten am Nachmittag. In unserer Stadt gibt es eine ganze Menge von Leuten, die so reich sind, dass sie nicht zu arbeiten brauchen, daher ist ein Haufen Volk draußen unterwegs. Sie verleben den Tag, entspannen sich auf ihren Booten und geben sich alle Mühe, meinen Vater zu ignorieren, der einfach nur dasitzt und aufs Wasser hinausstarrt; er hat ein offenes Bier in der Hand und eine brennende Zigarre im Mund. Eigentlich jedoch sollte mein Vater in der Arbeit sein; als ich noch lebte, war er immer in der Arbeit. Ich nehme an, dass er seine Resturlaubstage mittlerweile so ziemlich aufgebraucht hat. Aber andererseits ist es ja auch nicht gerade so, als stünde in nächster Zeit eine große Reise nach Disneyworld auf dem Programm.
    Nicole schlendert aus der Hintertür unseres Hauses ins Freie. Sie trägt einen wallenden weißen Rock, der ihre Knöchel umspielt, ein gelbes Bustier mit Nackenträger, das ihren Bauch entblößt – der bloß eine winzige Rundung hat – und ein leichtes Jäckchen. Ihr langes Haar ist zu einem zerzausten Pferdeschwanz gebunden, der ihr über den Rücken fällt. Bei jedem Schritt klackert ihr unverkennbarer Türkisschmuck um ihre Handgelenke, ihre Knöchel und ihren Hals. Während sie die Straße entlangspaziert, auf den Pier zu, ist sie das Sinnbild der Gelassenheit . Mein Gott , denke ich. Die Nachbarn müssen sich über meine Familie ja schier das Maul zerreißen.
    Sie steigt auf das Boot, nimmt neben meinem Vater Platz und legt ihren Kopf an seine Schulter. Eine ganze Weile sitzen sie so gemeinsam da, ohne zu sprechen; das Boot tanzt sanft auf den Wellen. Mein Vater blickt angestrengt aufs Meer hinaus, ohne Nicoles Anwesenheit richtig zur Kenntnis zu nehmen.
    »Marshall«, sagt sie. »So geht das nicht. Du kannst nicht tagaus, tagein einfach hier herumsitzen.« Sie streicht ihm mit dem Handrücken über seine von grauen Bartstoppeln gesprenkelte Wange. »Wann hast du dich das letzte Mal rasiert? Wann hast du das letzte Mal geduscht? Ich wache morgens allein auf. Ich vermisse dich.« Sie zögert. »Ganz gleich, wie schlecht du dich auch fühlst, das wird sie nicht zurückbringen. Ich weiß, dass ihr Tod dir das Herz gebrochen hat, Schatz, genauso wie uns anderen auch. Aber wir sind eine Familie, und wir sollten die Sache gemeinsam durchstehen. Ich brauche einen Ehemann. Josie braucht einen Vater.«
    Er sieht sie nicht an. Als er das Wort ergreift, ist seine Stimme kaum lauter als ein Flüstern. »Wir hätten das Ganze verhindern können. Das sagen alle. Hätten wir Liz Hilfe besorgt, bevor sie so schwach wurde, oder wenn wir ihr untersagt hätten, ihre Party auf dem Boot zu feiern …«
    »Du hast es doch versucht, Marshall. Sie hat sich geweigert. Was das betraf, war sie unnachgiebig. Was hättest du tun können, außer sie gegen ihren Willen in eine Klinik einweisen zu lassen?«
    »Genau das hätte ich tun sollen, Nicole. Ich hätte sie in eine Klinik stecken sollen. Aber das habe ich nicht getan; ich habe sie im Stich gelassen. Ich habe ihr nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Wäre ich nicht die ganze Zeit über in der Arbeit gewesen, dann wäre mir aufgefallen, dass die Sache immer schlimmer wird. Wenn ich sie dazu gezwungen hätte, zu einem Therapeuten zu gehen, wenn ich sie vielleicht sogar persönlich dorthin gefahren hätte …«
    »Wenn, wenn, wenn … Marshall, es gibt kein Wenn . Nicht mehr. Wir müssen uns mit dem

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