Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
Vom Netzwerk:
»Hast du das Stück überhaupt gelesen?«
    Ich stampfe verärgert mit dem Fuß auf. »Du weißt doch, dass ich eher ein Schülerhilfen-Mädchen bin, Richie. Es ist bloß ein dämliches Theaterstück.«
    »Tut mir leid, Liz. Der Aufsatz ist morgen fällig. Du hast mit deinem noch nicht einmal angefangen, oder?«
    Jetzt begreife ich etwas, das Richie damals nicht wusste und auch heute noch nicht weiß: Ich mache mir über viel, viel schwerwiegendere Dinge Gedanken. Ich muss meinen Wagen wieder zurückhaben, bevor meine Eltern auch nur mitbekommen, dass er weg war. Abgesehen davon kann ich den Literaturlehrer wahrscheinlich dazu überreden, meine Frist für den Aufsatz ein bisschen zu verlängern.
    Richie fährt sich mit einer Hand durch sein zerzaustes Haar. »Können wir den Wagen nicht morgen abholen? Ich fahre dich nach der Schule hin, versprochen.«
    »Aber es muss heute sein!« Ich kreische beinahe. Offensichtlich will ich meinen Wagen verzweifelt wiederhaben. »Richie, ich weiß, dass du glaubst, ich wäre zimperlich und würde mich lächerlich aufführen, aber ich brauche deine Hilfe. Bitte.«
    »Liz, ich glaube nicht, dass du zimperlich bist und dich lächerlich aufführst. Ich weiß , dass du zimperlich bist und dich lächerlich aufführst. Hier.« Er schiebt die Hand in die Hosentasche und zieht eine Handvoll Kleingeld und Dollarscheine daraus hervor. »Das ist mehr als genug. Nimm den Bus. Die Fahrt zur Werkstatt dauert keine zehn Minuten.«
    Mir bleibt der Mund offen stehen. »Den Bus nehmen?«, wiederhole ich. »Was glaubst du, wer ich bin? Sehe ich vielleicht aus wie eine Obdachlose? Was, wenn jemand versucht, mich zu belästigen? Was, wenn wir gekidnappt werden? Hast du schon mal diesen Film mit der Frau in dem Bus gesehen, in dem sich eine Bombe befindet?«
    »Meinst du Speed ?« Er schnaubt. »Ja. Liz, in dem Bus wird keine Bombe sein.« Er tritt einen Schritt näher an mich heran und berührt mein Haar. Er küsst mich auf die Lippen. »Ich glaube, die Erfahrung wird dir guttun. Sie wird deinen Horizont erweitern. Nur zu, geh und nimm den Bus, und wenn du wieder da bist, kannst du rüberkommen und mir in allen Einzelheiten erzählen, wie fürchterlich es war.«
    Ich habe keine andere Wahl, oder? Ich nehme das Geld aus seiner ausgestreckten Hand. »Oh, glaub mir. Ich werde dir alles haarklein schildern.« Während ich mich anschicke, den Raum zu verlassen, rufe ich über die Schulter: »Wenn ich es lebend zurück schaffe!«
     
    Und hier bin ich nun: an einem Sonntagnachmittag allein in der noch immer verwaisten Fender-Benders -Werkstatt. Unmittelbar, bevor ich mich auf den Weg hierher gemacht habe, wollte ich Josie dazu überreden, mich zu begleiten, doch sie wollte ums Verrecken nicht den Bus nehmen. Dabei war es überraschenderweise gar nicht so schlimm. Fast alle sahen normal aus. Relativ normal. Jedenfalls für einen Bus.
    Mein Wagen parkt außerhalb der Werkstatt. Er scheint so gut wie neu zu sein. Als ich ihn näher in Augenschein nehme, spaziert Vince zu mir herüber, mit Rocky der Bulldogge im Schlepptau. Mir fällt auf, dass Rocky weder an der Kette ist, noch eine Leine trägt.
    »Ich will bloß meine Schlüssel«, erkläre ich ihm. »Ich muss nach Hause.«
    Vince nickt. Rocky starrt mich an; Geiferfäden hängen von seinen Lefzen. Ich versuche, den Hund anzulächeln, doch das verleitet ihn bloß dazu, laut zu bellen.
    »Also … meine Schlüssel. Wo sind sie?«
    Vince lehnt sich gegen meinen Wagen, seinen schmutzigen Overall geradewegs gegen den glänzend roten Lack gepresst. Obwohl ich weiß, dass ich keine große Wahl hatte, kann ich immer noch nicht glauben, dass ich tatsächlich allein hierhergekommen bin. Ich kann nicht glauben, dass Richie zugelassen hat, dass ich alleine hierherkomme. Mit dem Bus. Da ich mich selbst kenne, bin ich sicher, dass er später noch hiervon erfahren wird, ganz gleich, ob er nun einen Aufsatz zu beenden hat oder nicht.
    »Das überrascht dich jetzt vielleicht«, beginnt Vince und puhlt mit dem kleinen Finger ungeniert in seinem Ohr herum. »Aber ich bin ein großer Fan der Lokalnachrichten.«
    Ich verschränke die Arme. »Na und? Was ist, lesen Sie vielleicht auch noch richtige Zeitungen? Schön für Sie. Geben Sie mir meine Schlüssel.«
    »Stell dir vor, ich lese tatsächlich Zeitung. Das überrascht dich, nicht wahr? Ich wette, du hast gedacht, ich bin ein Analphabet.«
    Ich schlucke den Kaugummi herunter, den ich gekaut habe. Obwohl mein Gesicht komplett

Weitere Kostenlose Bücher