Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben
Autoren: Jessica Warman
Vom Netzwerk:
Alkohol für euch Kids demnach ›normal‹?« Er hebt eine Augenbraue in Richtung meiner Eltern. »Wer hat den Alkohol gekauft?«
    Als niemand etwas sagt, stößt Joe ein langgezogenes Seufzen aus. »Ich mein’s ernst. Also, ich muss wissen, wo ihr den Stoff herhattet.«
    »Er war auf dem Boot«, flüstert mein Dad. Er kneift die Augen fest zusammen. Eine einzelne dicke Träne rinnt seine blasse, stoppelige Wange hinab. »Die Bar ist immer gefüllt.« Er schaut auf und lässt den Blick über meine Freunde schweifen. »Wir haben ihnen vertraut«, sagt er.
    Schließlich meldet sich Caroline Michaels zu Wort, die bis jetzt schweigend auf dem Fußboden saß. »So betrunken waren wir nicht«, sagt sie. »Liz hat sowieso nie viel getrunken, sie hat bloß mitgemacht.«
    Caroline: siebzehn Jahre alt. So süß und naiv, wie es nur geht. Sie ist die jüngste von vier Schwestern. Mit sechzehn wurde sie Chef-Cheerleaderin. Sie ist berühmt dafür, dass sie einen dreifachen Rückwärtsflickflack machen kann, was sie bei Footballspielen oft und mit großem Enthusiasmus tut, wobei sie der bewundernden Menge auf den billigen Plätzen ihren perfekten, elastanbedeckten Arsch präsentiert. Ihre Eltern sind ständig unterwegs; meistens reisen sie an exotische Orte wie Wien oder Athen oder nach Ägypten. Sie ist auch bekannt dafür, die großartigsten Partys zu schmeißen; irgendwie weiß ich das, obwohl ich mich diesbezüglich an nichts Spezielles erinnern kann. Es ist, als hätte jemand mein Gedächtnis genommen und ganze Bereiche gelöscht; als hätte jemand sie einfach weggewischt, ohne andere, unwichtige Details anzutasten. Das fühlt sich gleichzeitig beunruhigend, furchteinflößend und faszinierend an. Ich weiß nicht genau, wer ich bin; doch mir gefällt nicht besonders, wer ich offenbar war. Und ich weiß nicht, was passiert ist, dass ich jetzt so empfinde. Aber ich habe das unbestimmte Gefühl, dass ich das noch erfahren werde.
    »Okay«, sagt Joe und kritzelt in sein Notizbuch. »Und was ist mit den Drogen? Marihuana? Koks?«
    »Himmel«, platzt Richie heraus. »Kein Koks. Nichts dergleichen. Ein bisschen Gras, das ist alles.«
    »Also, ihr habt gefeiert«, fährt Joe fort. »Habt euch betrunken, habt euch zugedröhnt … Und was ist dann passiert? Ist jemand mit dem Geburtstagskind in Streit geraten?«
    »Nein«, sagt Richie. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Wir gingen schlafen. Wir gingen alle schlafen.«
    Richie Wilson: fast achtzehn. In der Schule auch als der Berühmte Richie Wilson bekannt. Er ist mein einziger Freund, der nie eine Zahnspange hatte; seine Zähne sind von Natur aus perfekt. Er ist der klügste Kerl, den ich je getroffen habe. Er strahlt Selbstvertrauen aus. Ich war vielleicht hübsch und beliebt, aber ich weiß – und das habe ich immer gewusst, schon zu Lebzeiten –, wie viel Glück ich mit Richie hatte. Er ist ein rundum netter Kerl und die Liebe meines Lebens. Ich fühle mich stärker zu ihm hingezogen als zu jedem anderen auf diesem Boot.
    Doch im Augenblick ist von dem Selbstvertrauen, von dieser selbstsicheren Coolness, die sonst alle für ihn einnimmt, nichts mehr zu sehen. Stattdessen wirkt er ernüchtert. Er zittert. Irgendwie weiß ich, dass er darauf brennt, nach Hause zu gehen, sich in seinem Zimmer einzuschließen und Gras zu rauchen, bis er sich kaum noch an seinen eigenen Namen erinnert. Richie hat ein Drogenproblem, das ist sein größter Fehler. Doch das machte mir nie viel aus; ich konnte nicht anders, als ihn trotzdem zu lieben.
    »Und als wir aufwachten, war Liz fort«, sagt Josie. »Wir dachten, dass sie vielleicht zum Haus hochgegangen ist, um etwas zu essen oder so. Wenn sie nichts isst, wird sie benommen. Dann wird sie hypoglykämisch.« Josies Blick flackert zu meinem Dad und Nicole. »Sie hatte manchmal das Problem, dass sie bewusstlos wurde. Sie war deswegen auch schon im Krankenhaus.«
    Josie Valchar: siebzehn Jahre alt, ganze sechs Monate jünger als ich. Obwohl sie meine Stiefschwester ist, nahmen sie und ihre Mom unseren Nachnamen an, als unsere Eltern heirateten. Auch wenn einige Leute nicht glauben, dass wir Stiefschwestern sind. Leute, die es nicht besser wissen. Im Gegensatz zu Richie ist sie schon seit der Grundschule meine beste Freundin. Josie glaubt an Geister; genau wie ihre Mutter besucht sie regelmäßig die Spiritistenkirche in Gronton. Sie behauptet, seit jeher eine Verbindung zur Geisterwelt zu spüren, doch in diesem Moment wird für mich natürlich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher