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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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wieder hin, beugt sich dicht zu mir und flüstert mir ins Ohr. Als ich uns drei in meiner Erinnerung ansehe, muss ich näher herantreten und mich anstrengen, um zu hören, was sie sagt.
    »Du bist das hübscheste Mädchen hier«, flüstert sie. »Das wirst du immer sein.«
    Mein Vater kehrt uns den Rücken und geht in den Zuschauerraum.
    Ich habe genug gesehen. Ich blinzle und blinzle und zwinge mich dazu, in die Gegenwart zurückzukehren.
     
    »Wo warst du?«, fragt Alex. »Was hast du gesehen?«
    »Das geht dich verflucht nochmal nichts an.«
    Er lächelt breit. »Nun, gut jedenfalls, dass du wieder da bist. Du warst drauf und dran, die Show zu verpassen.«
    Ich fange wieder an zu weinen, als meine Freunde schweigend im Innenraum des Bootes Platz nehmen. Ich weine, weil ich weiß, dass dies hier die Realität ist, dass ich wirklich tot bin. Aber es ist auch der Schmerz, der von dieser letzten Erinnerung in meinem Innern nachklingt, der mich zum Weinen bringt. Bis zu diesem Moment war mir nie bewusst gewesen, dass meine Eltern Probleme hatten. Alle Eltern streiten sich manchmal. Doch ich habe das Gefühl, dass die Spannung, die ich da gerade zwischen den beiden bemerkt habe, nichts Neues war. Aber so schwer es auch war, Zeugin dieser Erinnerung zu werden, es hat letztlich nur dazu geführt, dass ich mich noch mehr danach sehne, mit meiner Mutter zusammen zu sein.
    Alle Eltern streiten , denke ich wieder. Auch mein Dad und Nicole streiten sich manchmal. Das heißt aber nicht, dass die Ehe meiner Eltern eine Katastrophe war. Sicher, ich kann mich deutlich an die Gerüchte erinnern, auch wenn ich wünschte, ich könnte es nicht; aber ich weiß, dass sie nicht stimmen. Ganz gleich, was alle anderen auch denken mögen.
    »Würdest du dich bitte zusammenreißen?«, fragt Alex.
    »Halt die Klappe.«
    Er hebt eine Augenbraue, sagt aber nichts. Stattdessen wendet er seine Aufmerksamkeit der Szene zu, die sich an Bord des Bootes abspielt. Seite an Seite schauen wir zu.
     
    Zwei meiner Freunde – Mera und Topher – rauchen mit zitternden Fingern in aller Öffentlichkeit Zigaretten, und Tränen rinnen ihre Wangen hinab. Alle sind kalkweiß, bleich vor Schock; von ihrer Sommerbräune ist nichts mehr zu sehen.
    Ohne ein Wort zu verlieren geht meine Stiefmutter Nicole zuerst zu Mera, dann zu Topher und nimmt ihnen ihre Zigaretten ab. Sie wirft eine davon in eine leere Bierflasche und behält die andere für sich. Nicole hat vor ein paar Jahren mit dem Rauchen aufgehört, damals, als mein Dad den Herzinfarkt hatte. Ich nehme an, sie findet, dass jetzt ein guter Zeitpunkt wäre, wieder damit anzufangen.
    Sobald alle sitzen, nimmt Joe Wright auf dem Kapitänssessel Platz. Er hält ein winziges Spiralnotizbuch und einen Kugelschreiber in der Hand; beides scheinen mir unmöglich bescheidene Werkzeuge zu sein, um das Rätsel zu lösen, wie ich gestorben bin. Neben ihm steht noch ein anderer Polizist, der ebenfalls mit einem Notizblock ausgerüstet ist. Auf seinem Namensschild steht SHANE EVANS.
    Joe Wright räuspert sich. »Okay, Kinder.« Er atmet tief durch und reibt sich eine unsichtbare Stelle an seiner Stirn, als würde diese ganze Situation ihm Kopfschmerzen bereiten. »Fangen wir ganz am Anfang an, in Ordnung? Erzählt mir, was passiert ist.«
    Eine geschlagene Minute lang sagt niemand etwas.
    »Ich weiß, dass ihr Kids hier gefeiert habt. Sie hatte Geburtstag, richtig?«
    »Liz.« Richie starrt den Hartholzfußboden des Bootes an. »Ihr Name war Liz.«
    »Und wer bist du? Eigentlich können wir auch so anfangen — sagt mir alle eure Namen und erzählt mir dann, woran ihr euch erinnert. Einer nach dem anderen.«
    »Faszinierend«, sagt Alex. Er flüstert, als könnten sie uns hören.
    »Was?« Ich kann nicht aufhören, meinen Dad und Nicole anzusehen. Beide zittern; vermutlich ist das der Schock. In diesem Moment würde ich alles darum geben, meine Arme um sie legen zu können, um sie wahrhaftig zu spüren und dafür zu sorgen, dass sie meine Berührung bemerken.
    »Ich habe die coole Truppe noch nie so ungepflegt gesehen. Deine Freundinnen tragen nicht einmal Make-up. Ohne Schminke sehen sie gar nicht mehr so scharf aus. Findest du nicht auch?«
    Ich blicke ihn finster an. »Wann hätten sie sich denn, bitte schön, schminken sollen? Denkst du, sie sind wirklich so hohl?«
    »Also, mich hätte das nicht überrascht.« Er blinzelt. »Besonders Josie und Mera. Ihr drei wart die oberflächlichsten Menschen, denen ich je

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