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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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hast Glück, dass du dir nicht das Genick gebrochen hast, als du diese Treppe runtergefallen bist. Dann wären wir jetzt gerade auf deiner Beerdigung.« Ihr Blick wandert an meinem Körper auf und ab. Ich kann sehen, dass sie sich darüber sorgt, wie dünn ich geworden bin.
    Mein jüngeres Ich, das neben meiner Stiefschwester steht, ignoriert ihre Bemerkung – doch Alex und ich, die zuschauen, wechseln mit großen Augen einen Blick.
    »Unheimlich«, sagt Alex. »Findest du nicht?«
    Ich erschauere ein wenig. »Ja. Sehr unheimlich.«
    Mein jüngeres Selbst richtet sich noch ein bisschen mehr auf, als würde ich gerade Mut für etwas sammeln. Nachdem ich mich im Flur umgeschaut habe, um sicherzugehen, dass niemand kommt, senke ich die Stimme. »Richie?«, frage ich zaghaft. »Ich habe mich gefragt … Ich muss diese ganzen Hausaufgaben nachholen, und ich kann mich einfach nicht konzentrieren.«
    »Ach ja?« Er ist zögerlich, als wüsste er genau, was ich fragen will.
    »Hast du etwas für mich? Etwas, das mir dabei hilft, meine Arbeit zu erledigen?«
    Richie legt seinen Kopf in den Nacken und schaut zur Decke empor. Zunächst antwortet er nicht.
    »Richie?«, frage ich von neuem. »Im Ernst. Ich kann nicht klar denken. Das würde mir wirklich aus der Patsche helfen.«
    »Warum kannst du nicht klar denken? Wegen der Gehirnerschütterung? «
    Mein Blick schweift zu Josie – bloß für eine Sekunde, doch das genügt. Hier steckt mehr dahinter, und sie weiß es. So viel erkenne ich allein schon, wenn ich uns zusammen beobachte. Doch ich habe keine Ahnung, was genau hier vor sich geht.
    »Ja«, sage ich. »Wegen der Gehirnerschütterung.«
    »Und du nimmst Schmerzmittel?«, fährt er fort.
    Ich nicke.
    »Was für welche?«
    »Ähm … Percocet.«
    »Wie viele Milligramm? Wie oft am Tag?« Er ist wie ein wandelndes Nachschlagewerk für verschreibungspflichtige Medikamente.
    Ich zucke die Schultern. »Ich weiß nicht, wie viele Milligramm die Pillen haben, Richie. Sie sind groß und weiß. Ich kann dir heute nach der Schule die Dose zeigen.«
    »Und du willst, dass ich dir … was gebe? Etwas, das dir dabei hilft, dich zu konzentrieren? Wie Adderall?«
    Ich nicke. »Ja. Würdest du das tun?«
    »Nein, Liz.« Er schüttelt nachdrücklich den Kopf. »Auf keinen Fall. Ich versorge dich nicht mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, bloß damit du deine Hausaufgaben nachholen kannst. Man darf Schmerz- und Aufputschmittel nicht miteinander vermischen. Jedenfalls nicht so. Das wäre keine gute Idee.«
    »Was ist Aderrall?«, murmelt Alex.
    »Ein Amphetamin«, erkläre ich ihm. »Gegen ADS. Die Leute nehmen es ein, damit sie sich besser konzentrieren können. « Ich halte inne. »Man verwendet es auch, um seinen Appetit zu zügeln. Es verhindert, dass man hungrig wird.«
    »Oh-oh.« Er nickt. »Und woher weißt du das alles? Hast du ADS?«
    »Nein.« Ich blicke zu Boden. Es ist mir unglaublich peinlich, dass er Zeuge geworden ist, wie ich mich so aufführe – Beth gegenüber im Waschraum, und jetzt hier, mit Richie, den ich um Drogen bitte. Warum will ich Adderall von ihm? Abgesehen von ein bisschen Gras von Zeit zu Zeit nehme ich keine Drogen, keine Pülverchen, keine Pillen, nichts. »Ich weiß, was Adderall ist, weil Richie es verkauft. An Schüler, weißt du; er bekam zwanzig Mäuse für eine einzige Pille. Ich habe keine Ahnung, wo er das Zeug herbekam.«
    Aber da ist noch etwas anderes. Es gibt noch einen anderen Grund dafür, warum ich mich mit Medikamenten gegen ADS auskenne. Und sosehr es mir auch widerstrebt, das Alex gegenüber zuzugeben, glaube ich doch, dass er mir wirklich dabei helfen will, mehr über meine Vergangenheit in Erfahrung zu bringen. Größtenteils ist sie nämlich noch immer ein fast unbeschriebenes Blatt, nur befleckt von wenigen Erinnerungen, die überdeutlich zeigen, was für ein verdorbener Mensch ich zu Lebzeiten sein konnte.
    »Meine Mutter ist zu all diesen verschiedenen Ärzten gegangen«, erkläre ich, ohne meinen Blick von den Linoleumfliesen im Flur abzuwenden. »Sie war das, was man einen Medikamentenjunkie nennt. Abgesehen von den Grippemitteln hat sie so ziemlich alles genommen, um zu verhindern, dass sie Hunger bekommt.« Ich schlucke. »Einschließlich Adderall, wenn sie ein Rezept dafür in die Finger kriegen konnte.«
    Alex antwortet nicht. Er hört einfach nur zu, und ich bin dankbar für das augenblickliche Schweigen.
    Dann sagt Josie: »Richie? Hast du irgendwelches Adderall?

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