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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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draußen sind, schauen wir zu, wie Richie rasch einen kleinen Koffer und eine Reisetasche auf seinem Rücksitz verstaut. Er will gerade einsteigen, als ein Auto unsere Straße entlangkommt und die Scheinwerfer ihn direkt anstrahlen, was ihn wie angewurzelt innehalten lässt.
    »Scheiße«, murmelt er, schließt die Fahrertür und schiebt die Schlüssel in seine Tasche. Er steht neben dem Wagen und bemüht sich, ganz ungezwungen zu wirken. Fast rechne ich damit, dass er zu pfeifen anfängt.
    Joe Wright ist außer Dienst, in einer weinroten Limousine mit zwei Kindersitzen auf der Rückbank. Er bleibt mit seinem Wagen stehen und lässt ihn mitten auf der Straße im Leerlauf laufen.
    Richie hebt die Hände. »Ich habe nichts falsch gemacht. Ich wollte bloß mal raus, laufen gehen, das ist alles.«
    »Um vier Uhr morgens?« Joe schaut sich unschuldig um. »Ziemlich dunkel dafür, oder?« Er mustert meinen Freund, der ein T-Shirt, graue Jogginghosen und dieselben Flip-Flops trägt, die er einige Wochen zuvor auf dem Friedhof anhatte; an den Sohlen klebt immer noch Erde von meinem Grab. »Du bist ein lausiger Lügner.«
    »In einem Monat werde ich achtzehn. Ich kann machen, was ich will.«
    Joe legt die Hände zu einem Trichter zusammen, um auf Richies Rücksitz zu spähen. »Wissen deine Eltern, dass du einen Ausflug mit dem Wagen machst?«
    Richie wirft einen raschen Blick zu seinem Elternhaus hinüber. »Woher soll ich das wissen? Sie sind nicht da.«
    Joe nickt. »Was ist mit der Schule? Du bist in der zwölften Klasse. Du wirst doch nicht einfach spurlos verschwinden, oder?« Sein Blick schweift zu meinem Elternhaus hinüber. »Deine neue Freundin würde dich mit Sicherheit vermissen.«
    Richie starrt den hellen Mond an, der am Firmament hängt. Er sagt nichts dazu.
    »Glaubst du nicht, dass die Leute das seltsam finden werden? Wenn du mitten in der Nacht abhaust?«
    »Vielleicht.« Er zuckt die Schultern. »Sie werden darüber hinwegkommen.«
    Ohne jede Vorwarnung öffnet Joe Richies Wagentür und greift auf den Rücksitz. Als seine Hand wieder zum Vorschein kommt, umklammert sie einen Blumenstrauß. Weiße Lilien.
    »Meine Lieblingsblumen«, murmle ich. »Er will sie auf mein Grab legen.«
    »Was willst du damit?«, fragt Joe stirnrunzelnd. Er legt die Blumen auf die Motorhaube des Wagens.
    Richie lässt sich nicht einschüchtern. »Das geht Sie nichts an. Hey, Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl. Sie können nicht einfach meine Sachen durchwühlen.«
    »Wofür sind diese Blumen?«
    Richie verschränkt die Arme. Er starrt Joe stumm an, trotzig.
    »Weißt du«, fährt Joe fort, »als ich dich auf dem Boot sah, wusste ich, dass ich dich von irgendwoher kenne. Ich habe eine Weile gebraucht, um dahinterzukommen, woher.« Dann tippt er sich mit dem Zeigefinger gegen die Nase und weist auf Richie. »Abschlussball, letztes Frühjahr. Richtig? Ich habe sogar einen Bericht geschrieben. Du und Liz, ihr habt die Fenster dieses Wagens ganz schön beschlagen lassen.«
    Richie legt eine Hand auf die Fahrertür. »Kann ich jetzt fahren? Ich muss los.« Er greift nach den Blumen; mit einer flinken Bewegung schließt sich Joes Hand um Richies Handgelenk.
    »Ich werde dich begleiten. Wir müssen uns unterhalten.«
    »Wir haben uns bereits ausführlich unterhalten.«
    »Was würde ich denn finden, wenn ich diese Taschen auf deinem Rücksitz durchsuche?«
    »Nichts.« Richie versucht, seinen Arm freizuwinden.
    »Nichts? Dann stört es dich sicher nicht, wenn ich mal kurz einen Blick reinwerfe.«
    »Sie haben keinen Durchsuchungsbefehl.«
    Joes Blick ist gelassen. »Den brauche ich nicht, Kumpel. Das bezeichnet man als hinreichenden Tatverdacht.«
    Richie starrt ihn im Mondlicht mit finsterer Miene an. Schließlich sagt er: »Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Nur zu.«
    Mit großem Interesse packt Joe sowohl die Reisetasche, als auch den Koffer aus. Auf den ersten Blick scheint sich nicht allzu viel Ungewöhnliches darin zu befinden: In dem Koffer sind Kleidungsstücke, Bücher ( Der große Gatsby , Schlachthof 5 und Die Enden der Parabel ) und eine Karte von Neuengland. In der Reisetasche sind noch mehr Klamotten, ein paar ungeöffnete Schachteln Zigaretten (die Joe zu Richies offensichtlicher Verärgerung konfisziert) und das gerahmte Bild von uns beiden – das von dem Laufwettkampf –, das immer auf Richies Schreibtisch stand.
    Sobald er alles durchgesehen hat, tritt Joe zurück, runzelt unzufrieden die Stirn und tippt sich

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