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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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ich die Blutergüsse in meinem Gesicht und zucke zusammen, als meine Finger die Stellen berühren. Ich drehe das Wasser am Waschbecken auf und sehe zu, wie es wirbelnd im Abfluss verschwindet. Ich beuge mich vor und nehme einige tiefe Atemzüge, und dann stelle ich das Wasser ab. Als ich mich wieder aufrichte, liegt ein grimmiger, wilder Ausdruck in meinen Augen.
    »Sie hat recht. Du bist hässlich«, sage ich zu meinem eigenen Spiegelbild. »Das weiß jeder.«
    Ich beginne zu weinen. Die Tränen laufen meine Wangen hinunter, verschmieren mein Make-up, machen mein Mascara zunichte.
    »Hässlich«, wiederhole ich, fast, als würde ich das Wort in mich aufsaugen, bemüht, mich selbst davon zu überzeugen, dass es stimmt.
    Ich folge meinem jüngeren Ich um die Ecke, als ich mich in einer Kabine einschließe, mich auf den geschlossenen Toilettendeckel setze und meine Knie an die Brust heranziehe. Weinend sitze ich da, ohne sonst einen Laut von mir zu geben, bis die Glocke ertönt und den Anfang der zweiten Stunde verkündet. Doch ich bleibe sitzen. Ich heule weiter.
    Und dann, gerade als es scheint, als würde ich niemals wieder aufhören, stehe ich abrupt auf. Ich glätte die Falten an meiner Kleidung und atme tief durch. Ich verlasse die Kabine ohne meine Büchertasche und stelle mich vor den Spiegel. Behutsam, bedächtig, trage ich Mascara, Lippenstift und losen Puder auf.
    Ich lächle mein Spiegelbild an. »In Ordnung«, sage ich leise. »Los geht’s, Liz.«
    Auf dem Flur sind immer noch einige Nachzügler unterwegs, Schüler, die zwischen den Klassenräumen umherbummeln, und fast augenblicklich entdecke ich Josie und Richie bei seinem Spind; sie unterhalten sich. Richie hat mir den Rücken zugewandt und lehnt an seinem geschlossenen Spind, so cool wie immer. Als Josie mich sieht, hebt sie den Arm, um zu winken.
    »Hi, ihr«, sage ich und strahle sie atemlos an. Von der Liz, die ich gerade im Waschraum gesehen habe, ist keine Spur mehr auszumachen; praktisch innerhalb einer Sekunde habe ich mich von einem schluchzenden Wrack in die ruhige, gefasste und lächelnde Liz zurückverwandelt, die alle kennen. »Wir sollten in die Klasse gehen, Leute.« Ich schaue Josie an. »Was machst du eigentlich hier unten? Solltest du in der zweiten Stunde nicht oben Spanisch haben?«
    »Denkst du, sie und Richie haben damals schon etwas miteinander gehabt?«, frage ich Alex. Ich kann die Eifersucht spüren, die unkontrollierbar in mir aufsteigt. »Direkt vor meiner Nase?«
    Er schüttelt den Kopf. »Sagte sie nicht, die Sache hätte erst einige Monate vor deinem Tod angefangen?«
    »Ja«, pflichte ich bei. »Und das hier war im Herbst. Das war lange, bevor ich starb. Also, worüber haben sie gesprochen?«
    Alex kann bloß die Schultern zucken. »Keine Ahnung. Lass uns zuschauen.«
    »Wir haben Beth gerade weinen sehen«, sagt Josie kichernd zu mir. »Hast du irgendetwas damit zu tun? Richie hat mir erzählt, was für eine Szene du in Englisch gemacht hast.«
    Jetzt ist der Flur abgesehen von uns dreien leer; wir trödeln herum, als müssten wir nirgendwo anders auf der Welt sein, obgleich wir tatsächlich bereits zu spät zum Unterricht kommen.
    Mein Lächeln wird breiter. »Das kann schon sein.« Und ich lege meine Hand auf Richies Arm und drücke ihn besitzergreifend. »Sie hat versucht, in meinem Revier zu wildern.«
    »Oh Gott, Liz. Als ob sie das könnte «, sagt Richie seufzend. »Du hast ihr doch hoffentlich nicht allzu sehr zugesetzt, oder? Es war bloß ein Unterrichtsprojekt, das jetzt ohnehin vorbei ist.«
    Josie verengt die Augen zu Schlitzen. »Liz hat recht, Richie. Beth sollte ihren Platz kennen. Sie hat schon Nerven, auch nur mit dir zu reden.«
    Ich lächle Josie an, doch als ich spreche, kann ich in meiner Stimme den fast unmerklichen Anflug eines Zitterns vernehmen. »Das stimmt«, erkläre ich Richie nachdrücklich. »Du gehörst mir. Sie hätte es besser wissen müssen.«
    Mein Freund scheint unser Gehabe gewohnt zu sein. Er schenkt mir ein schiefes Grinsen. »Soso, ich gehöre also dir, ja?« Er legt seine Stirn gegen die meine und gibt mir einen Kuss auf die Nasenspitze. »Wie fühlst du dich eigentlich?« Mit dem Handrücken streicht er behutsam über den Bluterguss auf meinem Gesicht. Ich zucke zusammen.
    »Immer noch geschwollen?«, fragt er.
    »Ja. Ein bisschen.«
    Josie beißt sich auf die Unterlippe und legt besorgt den Kopf schief. »Sie hat eine Gehirnerschütterung, weißt du.« Zu mir sagt sie: »Du

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