Manche Maedchen muessen sterben
schienen so glücklich zu sein. Ich glaube, ich würde alles dafür geben, um zu diesem Augenblick zurückkehren zu können, ihn noch einmal wirklich erleben zu können, anstatt bloß wie eine Unbeteiligte zuzuschauen.
»Die Schule fällt aus? Wirklich?« Josie am Herd dreht sich grinsend um. »Die Schule fällt sonst nie aus.«
Sie hat recht; in Connecticut sind alle an Schnee gewöhnt. Es braucht schon einen Blizzard, damit sich die Schulleitung dazu entschließt, den Unterricht ausfallen zu lassen.
»Ich habe es gerade oben in den Nachrichten gesehen«, sagt mein Dad. »Ein eingefrorenes Heizungsrohr ist geplatzt. Ihr Kinder habt Glück.«
Während ich uns alle beobachte, fällt mir auf, dass Richie und ich meinem Dad überhaupt keine Aufmerksamkeit schenken. Ich kann sehen, dass seine Hand unter dem Tisch auf meinem Knie ruht; ich trage einen schwarzen Bleistiftrock und dunkle Strümpfe. Meine Schuhe sind glänzend rote, hochhackige Stiefel. Wie zur Hölle wollte ich in diesem Aufzug durch den Schnee laufen?
Dicht beieinandersitzend schauen Richie und ich uns tief in die Augen. Er streckt seine freie Hand – die, die nicht auf meinem Knie liegt – nach meinem Gesicht aus, um eine verirrte blonde Haarsträhne hinter mein Ohr zu streichen.
Wir sind in unserer eigenen Welt, ohne meine Familie um uns herum wahrzunehmen. Mir wird bewusst, dass dies nach meinem Treppensturz war, nachdem ich anfing, abzunehmen und mich kühler zu verhalten. Trotzdem haben wir einander geliebt, so viel ist offensichtlich. Wir können kaum unsere Augen voneinander abwenden.
»Und was machen wir jetzt mit unserem Tag?«, murmelt Richie mir zu.
Ein winziges Lächeln umspielt meine Lippen, die sorgsam nachgezogen, mit blutrotem Lippenstift versehen und mit einer Gloss-Schicht vollendet wurden. »Da fällt uns schon etwas ein«, sage ich; ich flüstere beinahe.
»In Ordnung, ihr beiden.« Josie ragt über uns auf, einen Teller mit einem Bauernfrühstück in der Hand. »Das reicht jetzt. Wenn ihr so weitermacht, muss ich mich übergeben.«
Ich blicke zu ihr auf, immer noch lächelnd. »Entschuldige.«
»Entschuldige dich nicht. Lasst es einfach bleiben.« Sie stellt den Teller vor Richie hin. »Bitte sehr. Eier mit Schinken, Zwiebel, Tomate und geräucherter Mozzarella.« Sie hält inne. »Das magst du doch. Oder?«
»Oh ja. Danke, Josie.« Richie grinst sie an. »Du bist die Beste.«
Einen Moment lang wirkt sie verlegen.
Da mochte sie ihn bereits , wird mir bewusst, als ich sie beobachte. Sie hat für ihn Frühstück gemacht. Sie hat versucht, ihn zu umsorgen.
»Kein Problem«, sagt sie schließlich. »Ich koche gern.« Sie dreht sich um, nimmt einen weiteren Teller vom Küchentresen und stellt ihn vor mich hin. »Für dich, Liz. Eiweiß. Ohne alles.«
»Vielen Dank.« Ich blinzle ihr zu.
Josie lächelt, aber es ist fast ein Grinsen. »Wir wollen ja nicht, dass du aufgehst wie ein Ballon und am Ende Größe XS tragen musst, nicht wahr?«
»Marshall«, sagt Nicole und sieht meinen Dad stirnrunzelnd an. »Du hast doch nicht allen Ernstes vor, heute zur Arbeit zu fahren, oder? Draußen liegen fast dreißig Zentimeter Schnee. Die Straßen werden noch nicht geräumt sein.«
Mein Dad nimmt einen langen Schluck aus dem Kaffeebecher, den er in Händen hält. »Mach dir um mich keine Sorgen. Ich fahre bloß bis zum Bahnhof.«
Nicole schüttelt den Kopf. »In der Firma kommen sie auch einen Tag ohne dich zurecht. Dafür dein Leben aufs Spiel zu setzen, ist die Sache nicht wert.«
Er nimmt noch einen Schluck Kaffee, stellt den Becher oben auf den Tresen und streift sein Sakko über. »Mir passiert schon nichts.« Er schaut von mir und Richie zu Josie und fragt: »Was habt ihr Kinder jetzt vor?«
»Wir könnten uns bei mir drüben einen Film anschauen«, sagt Richie zu mir.
Ich schenke ihm ein weiteres winziges Lächeln, als würden wir ein Geheimnis miteinander teilen. »Okay. Klar.«
»Josie?«, fragt mein Dad. »Was ist mit dir?«
Als Richie und ich erst einander und dann meine Stiefschwester anschauen, herrscht ein unbehagliches Schweigen; so viel ist offensichtlich.
Da mochte sie ihn bereits , denke ich wieder. Sie wollte ihn.
Schließlich sagt mein jüngeres Ich am Tisch: »Josie? Du kannst mitkommen, wenn du möchtest.«
Josie sieht ihre Mutter an. Ich kann sehen, dass Nicole versteht, was los ist. Sie bedenkt ihre Tochter mit einem knappen Stirnrunzeln. Dann schüttelt sie beinahe unmerklich den Kopf – ich glaube
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