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Manche Maedchen muessen sterben

Manche Maedchen muessen sterben

Titel: Manche Maedchen muessen sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Warman
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aber, Sir, bei allem gebotenen Respekt, Sie irren sich. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, wie Liz war, okay? Einmal haben Mera und ich sie morgens mit dem Wagen zur Schule abgeholt, und am Vorabend waren wir im Autokino. Wir haben hinten auf dem Rücksitz Popcorn gegessen, und da waren überall diese kleinen Kerne, die zwischen den Nähten der Ledersitze saßen, wissen Sie? Und auf dem Boden waren fettige Servietten. Keine große Sache, oder? Man schiebt das Zeug beiseite, man setzt sich hin. Aber nicht Liz. Nein, Sir. Dieses Mädchen weigerte sich, in meinen Wagen zu steigen. Ihrer Ansicht nach waren es zu viele Krümel, um sie einfach auf den Boden zu streichen, und selbst dann hätte sie sich trotzdem noch ihr Kleid schmutzig gemacht. Das hat sie so zu mir gesagt. Sie sagte, dass sie erst wieder in mein Auto steigen würde, nachdem ich in der Waschanlage war und ihn ausgesaugt hätte.«
    »Ich erinnere mich an diesen Tag«, sage ich. Als ich Alex anschaue, blickt er auf sein Hemd hinunter. Er trägt noch immer seine Arbeitskleidung aus dem Mystic Market. Er ist mit Essensflecken und Fett beschmiert.
    »Tut mir leid, falls mein Äußeres dich abstößt«, sagt er mit verlegener Miene.
    Die Geschichte klingt absurd, als Topher sie erzählt. War ich wirklich so zimperlich? Muss ich wohl gewesen sein. Ich runzle die Stirn. »Ich trug ein weißes Leinenkleid, das nur chemisch gereinigt werden durfte.« Schon während ich sie ausspreche, klingen die Worte erbärmlich. Warum bin ich nicht einfach in den Wagen eingestiegen? Es war doch bloß ein Kleid .
    »Dein gesamtes Leben«, sagt Alex, »war chemisch gereinigt. «
    »Ich habe Richie ein- oder zweimal begleitet, wenn er zu Vinces Apartment fuhr«, fährt Topher fort. »Ich habe Vince selbst gesehen.« Bei der Erinnerung daran rümpft er die Nase. »Selbst von der anderen Straßenseite aus konnte ich sehen, dass er lange, schmutzige Fingernägel hatte. Seine Hände waren ganz zerschunden. Sie waren verwittert, wissen Sie? Ich meine, er war versifft; das erkannte man aus einer Meile Entfernung. Er trug ein T-Shirt mit Löchern unter den Achseln. Er ist kein böser Bube oder ein Gangster oder irgendwas Cooles in der Art. Er ist bloß ein verfluchter Waschlappen. Ein richtiger Verlierer.«
    Topher zögert einen Moment. Er fischt ein Stück Kaugummi aus seiner Hosentasche und fängt an, darauf herumzukauen. Seine Augen mit einer Hand abschirmend, späht er von neuem zum Himmel hinauf. Es ist ein klarer, schöner Tag; die Sonne fängt gerade an, das Firmament richtig leuchten zu lassen. »Elizabeth Valchar wäre lieber selbst in den Sund gesprungen, bevor sie zugelassen hätte, dass so ein Kerl sie anfasst. Wenn Richie sagt, dass er sie aus Vinces Apartment kommen sah, dann müssen Sie herausfinden, wieso, denn glauben Sie mir, hier geht irgendetwas Seltsames vor.«
    »In Ordnung«, sagt Joe. »Ich glaube dir. Sonst noch was?«
    »Ja.« Topher schaudert. »Richie sagte, er wolle Vince umbringen. Er hat eine Waffe. Also sollten Sie lieber in Covington Arms nach ihm suchen, und zwar …« Er bläst eine Kaugummiblase. »… so schnell wie möglich.«

16
    Der Covington-Arms-Apartmentkomplex ist ein großes, dreigeschossiges Backsteingebäude, das eindeutig bereits bessere Tage gesehen hat: Die Gehwege sind aufgesprungen, der Parkplatz ist mit tiefen Schlaglöchern übersät. Obwohl ich Alex hoch und heilig geschworen habe, den Namen Vince Aiello noch nie gehört zu haben und noch niemals zuvor hier gewesen zu sein, überkommt mich ein Schauder des Erkennens, als wir uns Wohnung Nummer neun nähern, ein Schauder, der in meinem Rückgrat beginnt und sich von dort aus kribbelnd in meine Fingerspitzen und mein Gesicht ausbreitet. Ich verspüre ein wogendes Gefühl der Übelkeit, das intensive Verlangen, wieder zu verschwinden, bevor wir auch nur hineingegangen sind. Die körperlichen Auswirkungen sind ähnlich wie beim ersten — und einzigen — Mal, als ich eine Zigarette geraucht habe. Ich fühle mich, als hätte ich Gift in mich eingesogen.
    Wir sind hierhergelangt, indem wir auf dem Rücksitz von Joes Limousine mitgefahren sind; wir haben uns auf den Boden gekauert, damit wir uns nicht zwischen die im Heck montierten Kindersitze quetschen müssen. Angesichts der Geschichte, die Topher Joe über meinen Abscheu vor Schmutz erzählt hat, ist das die reine Ironie: Der Boden von Joes Wagen ist übersät mit leeren Safttüten, zerfledderten Malbüchern und ganz generell ein

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