Manche Maedchen raechen sich
korrigieren.“
„Du bist echt verrückt“, antwortete ich und versuchte, das Ganze mit einem Lachen abzutun.
Marianne blieb stehen. „Wieso denn?“
„Dass du dich überhaupt für diesen Kurs eingeschrieben hast! Mich wundert wirklich nicht, dass ihr da nur zu zweit seid. Wenn die Schule nicht so einen Haufen Kohle hätte, hätte sie McFarlane, den alten Sklaventreiber, längst gefeuert. Ich fasse es immer noch nicht, dass du und Neil so dumm seid, ihm unbedingt die Stirn bieten zu wollen.“
Marianne umklammerte das fein säuberlich gestapelte Papier fester.
„Es ist doch nicht McFarlanes Schuld, dass die anderen es nicht draufhaben. Neil und ich sind eben schlau. Und wir wählen unsere Fächer nach der Qualität der Lehrer aus und nich t …“ Marianne funkelte mich giftig an. „ … und nicht nach ihrer Beliebtheit.“
„Ich glaube, Lexi mag Ella“, sagte ich, um das Thema zu wechseln.
„Schön.“
Ich betrachtete Marianne von der Seite und genoss es, dass sie offensichtlich nicht den Mumm hatte, mir in die Augen zu schauen. Ihre langen blonden Haare waren zu einem komplizierten Knoten hochgesteckt, ein paar dünne Strähnen umspielten ihr Gesicht. Sie sah aus wie eine wunderschöne griechische Marmorfigur.
„Hättest du gedacht, dass sie sich traut, den alten Schachteln im Sekretariat Jane Ayres’ Akte zu klauen?“
Marianne schüttelte den Kopf. „Seit wann beeindruckt es dich, wenn jemand stiehlt?“
„Warum kannst du ihr nicht einfach eine Chance geben, Mari?“, seufzte ich.
„Glaub mir, wenn ich ihr keine Chance geben würde, hätte ich nicht zugelassen, dass sie auch nur eine einzige Sekunde mit uns verbringt.“
Mir blieb der Mund offen stehen. Dann versuchte ich wieder zu lächeln.
„Was hast du gerade gesagt?“
Marianne antwortete nicht.
„Moment mal kurz. Es ist doch nicht deine Entscheidung, mit wem wir rumhängen und mit wem nicht. Du, Marianne, bist nicht unsere Anführerin.“
Blitzartig tastete Marianne mit der Hand nach ihrer Wange. Sie glühte, als hätte ich ihr soeben eine Ohrfeige verpasst. Dann drängte sie sich an mir vorbei und eilte davon. Diesmal ließ ich sie ziehen.
„Grüß Neil von mir, okay?“, rief ich ihr nach.
Es mag hart klingen, aber es ist die Wahrheit: Marianne ist nicht unsere Anführerin. Ich bin es. Ich sage, wer geht und wer bleibt. Ich bin diejenige, die die Clique zusammenhält. Und ich werde ganz sicher nicht zulassen, dass Marianne auf die Idee kommt, sie könnte mir irgendwas befehlen. Und dafür muss ich sie eben ab und zu daran erinnern, wer von uns beiden das Sagen hat.
Der Speisesaal war brechend voll und es roch nach Stinkefüßen und ranzigem Käse. In der Küche empfing mich Mr s Wayne mit verschränkten Armen und Grabesmiene.
„Beweg deinen Hintern und mach dich an die Arbeit, Fräuleinchen. Du bist fünfundzwanzig Minuten zu spät und Essen gibt es nur vierzig Minuten.“
„Tut mir leid, ich hab’s vergessen“, antwortete ich und band mir die widerliche, stinkende Schürze um.
„Glaub bloß nicht, dass ich das vergesse. Ich werde den Vorfall dem Direktor melden. Und er wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass du die versäumte Zeit nachholst.“
Mr s Wayne schenkte mir ein extragehässiges Lächeln und ihre chemisch gebleichten Zähne leuchteten so grell wie eine 400-Watt-Lampe.
„Tja, sieht ganz danach aus, als würdest du mich auch noch nächste Woche ertragen müssen, was?“
Ich verzog das Gesicht, hielt aber den Mund. Auch wenn ich ihr liebend gern eine freche Antwort an den Kopf geschleudert hätte, wollte ich ja nicht riskieren, für immer hier arbeiten zu müssen. Ich zuckte zusammen, als Mr s Wayne ihren Kaugummi aus dem Mund nahm und ihn unter die Arbeitsplatte klebte.
„Entschuldigung, aber sind Sie sich sicher, dass das hier Hühnchen ist?“
Ich wirbelte herum. Hinter der Glasscheibe zum Speisesaal stand Neil und zeigte auf eine der dampfenden Wannen im Wasserbad. Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich würde die alte Hexe niemals loswerden. Mit einem Lächeln ging ich auf ihn zu. Neil lächelte zurück. Er hatte braune Augen wie Bambi.
Tja, da standen wir also. Zwischen uns eine beschlagene Glasscheibe.
„Ich denke mal, dass das Hühnchen ist. Wenn’s auf dem Schild steh t …“ Ich schaute mir die vier Wannen an der Theke genauer an, aber das Essen darin war einfach nicht voneinander zu unterscheiden. Ich zuckte mit den Schultern.
Und da auch Neil nicht mit Sicherheit sagen konnte, dass
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