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Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Marr
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es sich nicht um Hühnchen handelte, gab er sich mit meiner Antwort zufrieden. Er schaufelte sich mit einem ekelhaften Blubb-Geräusch eine Portion auf den Teller.
    „Ich hab dich noch nie in der Kantine essen sehen.“
    „Ich mich auch nicht“, antwortete Neil.
    Er beugte sich näher an die Glasscheibe heran und ich tat es ihm nach.
    „Weißt du, eigentlich wollte ich mir heute Morgen ein Sandwich machen“, sagte er. „Aber dann hab ich festgestellt, dass wir keinen Schinken hatten. Und als ich mir daraufhin ein Käsesandwich machen wollte, musste ich feststellen, dass wir auch keinen Käse hatten. Ich konnte mir nicht mal ein Butterbrot machen, weil die Butter auch alle war. Und kurz darauf hab ich gesehen, dass wir nicht mal Brot im Haus haben. Na ja, und dann hab ich’s aufgegeben.“
    „Oh.“
    „Dad hat behauptet, er wäre gestern einkaufen gewesen, was wohl auch stimmt. Ich hab zwei Flaschen Whisky in der Vorratskammer gefunden. Wahrscheinlich hat er einfach nur nicht dran gedacht, auch was Essbares mitzubringen.“
    „Wie geht’s deinem Vater?“
    „Gut, solange genügend Scotch im Haus ist“, antwortete Neil.
    Ich wechselte das Thema. „Hübsche Krawatte. Sehr retro“, sagte ich.
    „Danke.“
    East Rivermoor ist das Paradies der Eitelkeiten. Designerschuhe, teure Haarschnitte, Make-up, hautenge Klamotte n – so weit das Auge reicht. Und da wären wir erst bei den Jungs!
    In der Schule müssen die Mädchen weiße Blusen und graue Röcke tragen, die Jungs graue Hosen und eine Krawatte. Aber wir können unsere Outfits nach Belieben verschönern. Darum habe ich den Schneider meiner Mutter auch gebeten, all meine Röcke zu kürzen, denn ich habe echt tolle Beine, wenn ich das mal so sagen darf. Lexi hat sich weiße chinesische Knöpfe an die Manschetten genäht und Marianne hat ihre Ärmel bis zu den Ellenbogen aufgetrennt und sie mit Reihen kleiner silberner Knöpfe besetzt.
    Eine ganze Palette verschiedenfarbiger Krawatten-Modelle war im Speisesaal zu bewundern. Ein schillernder Regenbogen männlicher Hormone. Hollerings ist es im Grunde egal, wie wir herumlaufen, solange wir nicht völlig aus der Reihe tanzen.
    Sie wollen einen Einheitsbrei aus uns machen. Einen Einheitsbrei aus Individuen. Frei und unabhängig sollen wir sein, aber bitte schön unter ihrer Aufsicht. Politisch alles total korrekt an der Priory.
    „Hey, du hast mir noch gar nicht erzählt, welche Strafe sie dir aufgebrummt haben.“
    „Ich muss nach der Schule eine Woche lang den Putzschrank der Putzfrauen putzen“, antwortete Neil. „Passt doch, oder?“
    „Du bist nicht hier, um mit den Jungs zu plaudern“, drang Mr s Waynes schneidende Stimme zwischen zischendem Öl an mein Ohr.
    Die launische alte Kuh beobachtete mich wirklich mit Argusaugen!
    „Ich krieg ’nen Zehner von dir, danke.“
    Neil reichte mir lässig einen zerknitterten Schein.
    „Lass es dir schmecken.“
    Neil zuckte mit den Schultern und nahm sein Tablett. Meine Hand machte sich selbstständig, wanderte zu meinem Blazer und ertastete die Postkarte. Dann schob ich sie wieder ganz tief in die Tasche zurück.
    „So sieht man sich wieder“, vernahm ich eine weinerliche Stimme von rechts, die ich nur allzu gut kannte. Jeremy Biggins.
    „Was willst du, Biggins?“
    „Hallo? Gehst du etwa immer so mit den Gästen um?“
    „Nein, so gehe ich nur mit dir um, du Giftzwerg.“
    Jeremy Biggins’ Haare und sein Gesicht haben für gewöhnlich dieselbe Farbe: rot. Jetzt allerdings nahm sein Gesicht eine dunkel rote Farbe an.
    „Bedien mich gefälligst freundlich oder ich sage Mr s Wayne Bescheid“, knurrte er. „Einen schwarzen Tee zum Mitnehmen. Ein Stück Zucker. Danke.“
    Am Ende war es mein Glück, dass ich ihm keinen richtig heißen Tee servierte. Ich knallte den Pappbecher auf den Tresen. Biggins zahlte mit Kleingeld. Ich feuerte die Münzen in die Kasse und schlug sie zu. Biggins nahm den Deckel vom Becher. Und dann schleuderte er ihn in meine Richtung.
    „Du kleines Ar… ah!“, schrie ich.
    Der Tee lief mir über den Bauch, brannte sich durch die Schürze und den dünnen Stoff meiner Bluse. Zum Glück trug ich darunter meine hochgeschnittenen, figurformenden Höschen, die hatten mir schon immer treue Dienste erwiesen.
    Ich riss mir die Schürze herunter, schnappte mir den nächstbesten Lappen und rubbelte wie wild auf meiner Bluse herum.
    „Was zum Teufel ist da draußen los?“, brüllte Mr s Wayne und kam aus der Küche gestampft.

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