Manche Maedchen raechen sich
erkennen würde“, antwortete Marianne. „Und darum können wir jetzt auch machen, was wir wollen. Los, kommt!“
„Aber wohin denn?“
Die drei beachteten mich gar nicht. Sie waren schon losgelaufen und mir blieb nichts anderes übrig, als ihnen hinterherzurennen. Im Licht der Straßenlaternen warfen wir lange Schatten und unsere Katzenohren sahen aus wie Teufelshörner.
Ich wusste ziemlich schnell, wohin wir gingen. Ich hätte den Weg mit geschlossenen Augen gefunden, obwohl ich ihn seit Ewigkeiten nicht gegangen war. Wie lange war es her? Zehn Jahre? Länger?
Ein paarmal verloren wir Marianne aus den Augen, aber ich wusste ja, wohin sie uns führte. Wohin sie mich führte. Die Laternen leuchteten uns den Weg, fast so, als würden auch sie längst wissen, wohin wir gingen. Dies war der Weg zu Neils Haus.
„Ich glaube, hier ist es“, sagte Marianne und schaute an der dunkelroten Fassade hinauf. „Eliza, sind wir hier richtig?“
„Ja“, antwortete ich steif, aber Marianne hörte gar nicht zu. Sie bog in die Einfahrt ein und klaubte eine Handvoll Steinchen auf. Dann nahm sie das Fenster im Dachgeschoss ins Visier und warf einen Stein an die Scheibe.
„Marianne, was soll denn das?“, fauchte ich.
„Wart’s ab“, antwortete sie und schleuderte den nächsten Stein ans Fenster.
Ich drehte mich um. Hinter mir standen Lexi und Ella reglos da und sahen aus wie maskierte Zwillinge.
„Ich glaube, wir sollten besser gehen“, sagte ich zu Marianne.
„Warte. Sieh doch!“
Im Haus ging Licht an. Ein Fenster wurde geöffnet und Neil schaute heraus. Er trug ein weißes Unterhemd. Ich zuckte hinter meiner Maske zusammen.
Neil winkte. Marianne winkte zurück. Dann warf sie einen Stein nach ihm. Richtig fest. Neil sprang aus der Schusslinie und der Stein landete irgendwo im Zimmer.
Ich funkelte Marianne böse an. So böse, wie man hinter einer Katzenmaske, die das halbe Gesicht verdeckte, eben funkeln konnte. Aber Marianne fand die ganze Situation offenbar urkomisch. Sie warf noch einen Stein und Neil verschwand in seinem Zimmer.
„Marianne!“, brüllte ich und zerrte sie am Arm. „Mari, ich glaube nicht, dass das so ein e … aaaah!“
Eine Ladung kaltes Wasser landete auf unseren Köpfen. Ich schob die Maske hoch und sah nach oben.
Neil schaute zu uns herunter und schien überrascht. In der Hand hielt er ein verdächtig leeres Glas.
„Eliza?“
„Ja?“, antwortete ich und zuckte wieder zusammen.
Aber Marianne hatte immer noch nicht genug. Sie stand schon wieder in der Einfahrt und holte neue Steine.
„Was macht ihr denn um die Uhrzeit noch auf der Straße? Es ist schon nach halb sieben!“
„Verrat ich nicht. Frauen haben nun mal so ihre Geheimnisse“, antwortete ich. Neil lächelte und sprang zur Seite, als ein weiterer Stein an seinem Ohr vorbeizischte.
Lexi und Ella halfen Marianne, die besten Steine auszusuchen. Auch sie hatten ihre Masken hochgeschoben. Als Marianne den nächsten Stein warf, gafften sie sie mit offenem Mund an. Ich hätte schwören können, dass sie Marianne in diesem Moment geradezu anbeteten.
Diesmal traf der Stein die Scheibe über Neils Kopf. Es knackte und ich machte einen Satz rückwärts. Im Erdgeschoss ging Licht an. Neil betrachtete die gesprungene Scheibe und schaute dann wieder zu uns runter. Wir vier starrten wie versteinert zu ihm hinauf, eindeutig schuldig und absolut sichtbar.
„Was habe ich euch reizenden Damen denn getan, dass ihr mit Steinen nach mir werfen müsst?“, fragte Neil.
„Du hättest uns heute in Englisch gegen Gauntly verteidigen müssen“, sagte Marianne, die Hand in die Hüfte gestemmt. „Es war höchst unritterlich von dir, einfach nur herumzusitzen und tatenlos zuzusehen, wie wir diesen Schwachsinn über uns ergehen lassen mussten.“
Neil sah zum kaputten Fenster und dann wieder zu Marianne.
„Tut mir leid“, antwortete er. „Ich werde es kein zweites Mal zulassen.“
Aus dem Erdgeschoss drangen die Stimmen einer Frau und eines Mannes.
„Okay, Zeit zu gehen“, sagte Marianne und zog sich ihre Maske wieder ins Gesicht, genau wie Lexi und Ella. Mit der einen Hand griff Marianne nach Lexis Hand, mit der anderen nach Ellas und zusammen rannten sie los. Das Licht an der Veranda ging an. Ich raffte meinen Rock und wandte mich zum Gehen.
„Eliza!“
Ich drehte mich noch mal um und schaute zu Neil hoch.
„Ich wollte dir nur sagen, dass du ganz schö n …“
Ich biss mir auf die Unterlippe.
„ … ungewohnt
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