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Manche Maedchen raechen sich

Manche Maedchen raechen sich

Titel: Manche Maedchen raechen sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shirley Marr
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Ella. In Taupe. Graubraun.
    Lexi hat mal gesagt, Taupe sei die Farbe der Krankheit und der Trauer. Und dass nichts und niemand diese Farbe tragen sollte, erst recht nicht Mädchen, die glücklich sein wollten.
    Aber auch Ella sah wunderschön au s – wie wir alle in diesem Moment, der so vergänglich war wie eine Seifenblase.
    „Ella, hast du Make-up?“, fragte Lexi.
    „Natürlich“, antwortete Ella. „Wie kommst du darauf, dass ich kein Make-up habe?“
    „Tut mir leid“, sagte Lexi. „Ich hab gedacht, deine Mutter will vielleicht, dass du dir in die Backen kneifst, anstatt Rouge zu benutzen, und deine Lippen mit Maulbeersaft einreibst.“
    Die beiden lachten.
    „Meine Mutter muss ja nicht alles wissen“, sagte Ella in verschwörerischem Tonfall.
    Marianne hatte unterdessen begonnen, Lexis lange dunkle Locken zu einem Knoten zu flechten, und als sie ihr Kunstwerk vollendet hatte, machte sie sich mit flinken Fingern auch an Ellas auftoupierten Haaren zu schaffen. Ella musste sich fühlen wie im Himmel.
    Vielleicht würde Marianne es eines Tages leid sein, dass ihre Mutter sie von einer außerschulischen Aktivität zur nächsten scheuchte. Vielleicht würde sie eines Tages einfach abhauen, nach Middlemore, und Friseurin werden. Ich konnte es schon vor mir sehen: eine ketterauchende, wasserstoffblonde Marianne mit Dauerwelle, die den Omis aus Middlemore eine silberblaue Tönung verpasste.
    Wir alle träumten davon, manchmal redeten wir sogar darüber, aber dennoch wusste ich, dass wir niemals aus East Rivermoor herauskommen würden.
    „Okay“, sagte ich und schaute erwartungsvoll in die Runde, „und was jetzt?“
    Wir alle waren zurechtgemacht und wagten es kaum, einander in die Augen zu sehen. Es schien, als wären wir plötzlich schüchtern, weil wir uns auf einmal so fremd waren. Also schaute ich stattdessen aus dem Fenster. Es dämmerte bereits. Wir mussten Stunden in Ellas Zimmer zugebracht haben, ohne es zu merken.
    „Jetzt sehen wir so hübsch aus und können trotzdem nirgendwo hingehen“, seufzte Lexi.
    „Warte mal“, sagte Marianne.
    Sie legte den Kopf schief und lächelte ihr strahlendstes Lächeln. In diesem Augenblick erinnerte mich Marianne an eine Katze. An eine Katze auf der Lauer.
    Ich schaute wieder in den Abendhimmel und da fiel mir das Mädchen ein. Ich sah es taumeln und ins seichte Wasser des Grabens stürzen. Der Mörder wurde nie gefasst.
    Irgendwann hatten die Entführungen einfach aufgehört. Alle waren erleichtert und es kehrte wieder Normalität ein. Wobei ich mich frage, ob das wirklich stimmt. Die Ausgangssperre ab halb sieben wurde jedenfalls nie aufgehoben. Dass keine neuen Verbrechen geschahen, hieß nicht, dass die Gefahr ein für alle Mal gebannt war.
    Marianne fläzte sich auf Ellas Bett, als wäre sie Kleopatra, und sah auch ein bisschen so aus, als würde sie darauf hoffen, dass jemand sie mit Trauben fütterte. Sie hatte diesen ganz bestimmten Gesichtsausdruck.
    „Ella, Lexi, kommt her“, sagte sie und hob träge die Hand.
    Dann flüsterte sie den beiden etwas ins Ohr. Sie sprach zu leise, als dass ich sie hätte verstehen können, aber ich meinte, das Wort „bestrafen“ gehört zu haben. Wenn Ella, Lexi und Marianne die Augen schlossen, sah man ihren Lidschatten funkeln.
    „Na, ist das eine gute Idee?“, fragte Marianne schließlich.
    Ella fing an zu lachen. „Ich finde, das ist eine hervorragende Idee! Und ich weiß auch schon, was wir dafür unbedingt noch brauchen!“
    „Ich kann es kaum erwarten“, sagte Marianne und gähnt e – vermutlich, um ihr glühendes Interesse zu bekunden.
    Okay, ich hatte es kapiert! Und es war ja auch ganz toll, dass die drei plötzlich allerbeste Freundinnen waren, aber ich hatte wirklich nicht damit gerechnet, dass das Ganze auf meine Kosten gehen würde. Ich spiele nun mal nicht gern die zweite Geig e …
    „Kommt mit“, sagte Ella, huschte aus der Tür und die anderen beiden folgten ihr.
    Ich schaute mich im Zimmer um und erhaschte einen Blick auf mein Spiegelbild.
    Ich sah blass aus. Fast ein bisschen kränklich. Mir wurde mulmig zumute und ich verließ das leere Zimmer, so schnell ich konnte.
    Ich fand die drei in einer Abstellkammer.
    Ihr könnt mir wirklich glauben, wenn ich euch sage, dass eine Besenkammer in East Rivermoor größer sein kann als anderswo ein Apartment.
    Ella zündete eine dicke Kerze an, die auf einem eisernen Kerzenständer steckte.
    „Das ist das neueste Projekt meiner Mutter“, sagte sie.

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