Manche Maedchen raechen sich
bemerkt und auch nicht durchschaut, dass sie gerade einen Köder auswarf.
Marianne und ich waren bei Miss Bailoutte gewesen. Miss Bailoutte war bei Direktor Hollerings gewesen. Aardant hatte einen Verweis bekommen und bestätigt, dass er diese Strafe für gerechtfertigt hielt. Zwar hätte ich mir einen anderen Ausgang gewünscht, aber es war das Einzige gewesen, was ich für Lexi hatte tun können. Ich hatte mit der Sache abgeschlossen. Lexi wollte mit der Sache abschließen. Das Ganze hätte endlich vorbei sein sollen.
Ich faltete den Zettel auseinander. Ich faltete ihn wieder zusammen und zerknüllte ihn in meiner Faust. Aber es war zu spät.
„Was steht da?“, fragte Lexi.
„Nichts“, antwortete ich und schaute zu Marianne, die auf der anderen Seite von Lexi saß. Aber Lexi war nicht dumm.
„Gib mir den Zettel“, sagte sie.
„Nein.“
Genau das würde ein Mädchen zu einem Jungen sagen, wenn er mit heruntergelassener Hose vor ihm stünde. Ein Nein reicht oft nicht aus.
„Wenn alle es gelesen haben und lustig finden, dann will ich es auch lesen. Gib her.“
Ich musste wieder daran denken, wie Lexi auf Janes Bett gesessen hatte. Wie hatte Aardant reagiert, als sie „Nein“ gesagt hatte? Und was war mit dem Mädchen, dessen lebloser Körper im Graben gelandet war? Wie oft hatte es „Nein“ gesagt, als es um sein Leben bettelte?
Lexi riss mir den Zettel aus der Hand. Marianne saß stocksteif daneben und wusste nicht, was sie machen sollte.
Auf dem Zettel stand nichts geschrieben. Da war nur die plumpe Kritzelei eines Jungen, und die Figuren auf dem Bild sahen ihren lebenden Vorbildern nicht einmal ähnlich. Darum zeigten Pfeile auf sie. Über dem einen stand „Lexi“, über dem anderen „Alistair“. Marianne starrte auf den Zettel und wandte den Blick ab.
Lexis Hand begann zu zittern. Dann knüllte sie das Papier zusammen.
„D-das ist nicht lustig“, stammelte sie.
Sie stand auf und drehte sich um. Die Schüler in den vorderen Reihen taten es ihr gleich und reckten eifrig die Hälse.
„Wer hat das gemalt?“, fragte sie. „Ich will wissen, welches verdammte Arschloch das war!“
Die Klasse schnappte hörbar nach Luft. Dann war es still. Als Lexi ihre Frage noch einmal lauter wiederholte, wagte es niemand mehr, auch nur einen Mucks von sich zu geben. Außer Jeremy Biggins. Biggins glotzte Lexi an und kicherte.
Das war zu viel für mich. Tut mir leid, aber das war einfach zu viel. Wie Biggins uns anstarrte! Und wie er seine schiefen Zähne bleckte!
M r Chifley ereiferte sich immer noch über eine These, die irgendein toter Politiker mal vertreten hatte, obwohl sich außer ihm keine Sau mehr dafür interessierte. Aber Aardant stachelte Chifley immer weiter an, sodass der überhaupt nicht mitbekam, was sich im Klassenzimmer abspielte.
Mein Vater hat mal behauptet, dass die größte Herausforderung im Leben darin bestünde, Nein sagen zu lernen. So ein Scheiß! Oder hat er etwa Nein gesagt, als meine Mutter ihn aus meinem Leben katapultierte?
Ich stand auf, ging nach hinten und haute Jeremy Biggins, diesem erbärmlichen Wicht, eine rein. Biggins schrie, und jetzt wurde selbst M r Chifley hellhörig. Er stand auf und stieß Aardant beiseite. Aber bis Chifley hinten war, lag Biggins längst auf dem Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Der neue, cremefarbene Wollteppich, für den die Schule ein Vermögen ausgegeben hatte, war voller Blut. So was Blödes aber auch.
Ich stand da und betrachtete mein Wer k – so wie ein Künstler sein Meisterstück. Es gibt ein, zwei Sachen, die ich von Neil gelernt habe. Und von meiner Freundin Jane Mutton. Vielleicht hatte ich mir sogar eine Kleinigkeit von Aardant abgeguckt. Bestimmte Dinge bringen gar nichts, andere sind dafür umso effektiver.
Meine Hände waren voller Blu t – Biggins’ Blut. Ich schaute aus dem Fenster. Neil saß immer noch unter dem Eukalyptusbaum.
Schau her zu mir, Neil, schau her, dachte ich und starrte ihn an.
Vielleicht lag es daran, dass wir uns schon kannten, bevor wir überhaupt auf der Welt waren. Vielleicht hatten wir uns ja miteinander unterhalten, während unsere schwangeren Mütter mit ihren runden Bäuchen beisammensaße n – nur eben ohne Worte. Anders kann ich mir nicht erklären, was dann geschah.
Neil hob plötzlich den Kopf und schaute in meine Richtung. Ich ging zum Fenster und legte die Hand an die Scheibe. Sie hinterließ einen blutigen Abdruck. Durch die roten Umriss e – meine rote Flagge, mein
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