Manche moegen's reicher
»Aber nur für den Fall, dass er doch auf dumme Ideen kommt: Sie wissen, was Sie dann zu tun haben?«
Joe erwidert meinen Blick und schluckt.
»Sie meinen …«
»Genau!« Ich sehe ihn noch einmal eindringlich an, damit er sieht, wie wichtig mir das ist.
»… ich soll ihn umlegen?«, bringt er seinen Satz zu Ende.
»Aber nein, Joe, nicht umlegen«, rufe ich aus. Also guckt er doch ab und zu Filme, nur anscheinend die falschen. »Wie kommen Sie auf so einen Quatsch? Ich meinte natürlich, dass Sie ihn dann bei der Einwanderungsbehörde melden müssen, damit die ihn abschieben.«
Joe starrt mich ein paar Sekunden lang sprachlos an.
»Ach so …« Er stößt ein erleichtertes Lachen aus. »Ich meine, das war mir natürlich klar, ich habe das auch nur als Witz gemeint.«
»Als Witz? Ah, der war gut.«
Ich lache ein bisschen mit, obwohl mir gar nicht danach ist. Der Schock, dass Philip etwas angestellt hat, wofür er ins Gefängnis kommen könnte, sitzt tief. Doch dann tröste ich mich schnell. Immerhin haben die, die davon wissen, selbst genügend Dreck am Stecken, sodass dieses Geheimnis bei ihnen gut aufgehoben ist.
Nachdem ich mich wieder gefasst habe, sage ich: »Joe, Sie haben vorhin gemeint, dass Sie am Beginn Ihrer Ermittlungen stehen. Was kommt denn noch?«
Joe hat wieder zu seiner souveränen Ermittlerrolle zurückgefunden. Diesmal schlägt er zur Abwechslung den linken Fuß über das rechte Knie und sagt: »Nun, als professionelle Ermittler gehen wir bei solchen Fällen immer in einer bestimmten Reihenfolge vor: Zuerst besorgen wir uns Informationen über den finanziellen Status des zu durchleuchtenden Objektes, wobei die aktuelle Einkommenssituation sowie die Steuererklärungen stets im Vordergrund stehen, und als Nächstes nehmen wir die privaten Gegebenheiten unter die Lupe.«
»Die privaten Gegebenheiten?«, wiederhole ich mit einem Anflug von Unbehagen.
»Genau«, nickt Joe. »Wir checken seine Kontobewegungen, also wie viel wann wohin fließt, wir durchwühlen seine Sozialversicherungsdaten, wir knöpfen uns seine Kreditkartenabrechnungen vor, bis wir sämtliche Ausgaben vor uns liegen haben.« Joes Blick ist jetzt härter geworden. Seine Wangenmuskeln treten hervor, und sein Blick ist merkwürdig abwesend, während er fortfährt: »Und wenn uns dabei irgendetwas auffällig vorkommt – und sei es eine Kleinigkeit –, haken wir unerbittlich nach. Wenn wir schließlich mit ihm fertig sind, wissen wir nicht nur, wann und von wem er geboren wurde, sondern auch, wie lange er Windeln getragen hat, ob er Masern hatte oder nicht, ob er gegen Pocken geimpft ist, wie viele Pickel er in der Pubertät auf dem Hintern hatte, mit wem er als Erstes gevögelt hat und ob ihm dabei einer abgegangen ist …«
»Joe!«, rufe ich erschrocken aus.
»Ja?« Er stiert mich verdutzt an.
Scheint so, als wäre es ein bisschen mit ihm durchgegangen. Aber ich nehme ihm das nicht übel, weil ich die Ursache dafür kenne. Eine der Maßnahmen bei seiner Verwandlung vom Totalversager zum coolen Detektiv war eine Hypnosetherapie zur Stärkung seines Selbstbewusstseins, und anscheinend hat Doc Weitzmann ihm dabei suggeriert, er wäre ab sofort wie einer dieser abgebrühten Filmdetektive. Jede Wette, würde man ein bisschen kramen, könnte man den Text, den er soeben losgelassen hat, wortwörtlich in irgendeiner Filmszene wiederfinden.
»Ich hab’s begriffen, Joe«, sage ich sanft. »Und wir haben uns darauf geeinigt, dass sich Ihre Nachforschungen auf die letzten zwanzig Jahre beschränken, vergessen Sie das nicht.«
»Ach so … ja, natürlich.« Er setzt sich aufrecht hin und rückt seinen Hut artig gerade. »Jedenfalls gibt es wahrscheinlich noch eine ganze Menge über Ihren Verlobten herauszufinden, das wollte ich damit sagen.«
Noch eine Menge herauszufinden. Joes Worte hallen in meinem Kopf nach. Eigentlich brauche ich gar nichts mehr zu wissen. Das größte und verhängnisvollste Geheimnis kenne ich ja bereits, und für meine Zwecke ist das mehr als genug. Also könnten wir es damit auch gut sein lassen und die Ermittlungen einstellen.
Joe ist mein Zögern aufgefallen.
»Sie wollen doch, dass wir weiter ermitteln, Molly, oder nicht?«, fragt er nach.
»Nun …« Ich überlege fieberhaft.
Ich muss eigentlich gar nichts mehr über Philip herausfinden. Alles, was ich brauche, weiß ich bereits. Andererseits, Philip ist nicht gerade gesprächig, was seine Vergangenheit betrifft, und immer, wenn ich ihn
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