Manche moegen's reicher
danach frage, speist er mich mit irgendwelchen unbedeutenden Anekdoten ab.
Warum also nicht die Gelegenheit beim Schopf packen und mich ein bisschen über ihn schlaumachen? Ich könnte endlich ein wenig an seinem bisherigen Leben teilhaben und würde ihm dadurch wahrscheinlich viel näher kommen als bisher. Ja, ich könnte mir sogar vorstellen, dass ich ihn nur umso mehr lieben werde, je mehr ich über ihn weiß.
Nein, eigentlich bin ich mir da sogar ziemlich sicher …
Ich meine, ganz sicher.
Wozu also noch zögern?
Der feine Herr in fremden Landen
Es ist kurz vor sechs, als ich zu Hause eintreffe. Nachdem ich meinen Mini in der Einfahrt abgestellt habe und ausgestiegen bin, wuchte ich mir die zahlreichen Einkaufstüten über die Schultern und bewege mich schwerfällig auf das Haus zu.
»Meine Güte, Molly, was schleppst du da alles an?«
Das kam von Lissy. Als ich den Kopf hebe, entdecke ich sie auf einer Liege am Pool. Sie hat ein Glas Orangensaft neben sich stehen und ein Buch in der Hand. Als ich genauer hingucke, kann ich den Titel ausmachen: Perfektes Englisch in zehn Tagen .
Das kenne ich. Genau dasselbe habe ich letztes Jahr verwendet, um mein dürftiges Schulenglisch aufzupolieren, damit ich für meine Lieben unerkannt die gute Fee spielen kann, indem ich sie bei allen möglichen erfundenen Preisausschreiben gewinnen lasse.
»Ach, ich habe nur ein paar Sachen für die Reise eingekauft«, erkläre ich und lege schnaufend die Tüten ab. »Und wie ich sehe, bereitest du dich auch schon vor.« Ich deute auf das Buch und ihre Ohrstöpsel, die an einem tragbaren CD-Player hängen. »Wie kommst du voran?«
»Geht so, danke«, lächelt Lissy. Sie klopft mit den Fingerknöcheln auf den Buchrücken. »Das mit den zehn Tagen ist allerdings Quatsch.«
»Ja, ich weiß«, nicke ich. »Ich habe dasselbe Programm durchgearbeitet, und nach zwei Monaten hatte ich noch nicht einmal die Hälfte durch.«
»Zwei Monate?« Lissy sieht mich überrascht an und lacht auf einmal auf. »Ach so, das war ein Witz.« Immer noch lachend nickt sie und sagt: »Ich werde es jedenfalls bis zu unserem Abflug locker durchhaben, die Texte sind ja babyleicht. Hatten wir alles schon in der Schule.«
Wie bitte? An welcher Schule? Scheint so, als wäre mir da das eine oder andere entgangen, was aber wieder nur beweist, wie mies meine Lehrer im Vergleich zu Lissys waren.
»Genau, du sagst es«, murmle ich undeutlich. Ich setze mich neben Lissy und nippe an ihrem Saft. »Jedenfalls brauchte ich unbedingt ein paar Sachen zum Anziehen. Das war schon komisch: Als ich meine Garderobe für die Reise checken wollte, wurde mir auf einmal klar, dass ich kaum etwas für das kalifornische Klima habe. Wie steht’s denn bei dir? Hast du schon eingekauft?«
»Eingekauft?« Sie schüttelt verständnislos den Kopf. »Ich wüsste nicht, wozu. In Los Angeles hat es derzeit dreißig Grad, genau wie bei uns.«
»Ja, das mag schon sein, aber mit deutlich weniger Niederschlag«, kläre ich sie auf.
»Was bedeutet, dass man noch weniger Sachen zum Anziehen braucht«, hält Lissy mit strenger Logik dagegen.
»Aber nur auf den ersten Blick«, argumentiere ich. »Überleg mal: Wenn die Sonne scheint, schwitzt man mehr, und dann braucht man logischerweise auch mehr Sachen zum Wechseln. Außerdem geht es nicht nur ums Wetter«, bringe ich als Extratrumpf vor. »Vergiss nicht, wir treten als Businessladies auf, was auch bedeutet, dass wir in angesagte Lokale gehen müssen, und da werden sie uns ohne schicke Sachen vermutlich gar nicht reinlassen, denkst du nicht auch?«
Das hat gesessen. Lissy wird auf einmal ganz unsicher.
»Herrje, daran habe ich nicht gedacht«, sagt sie. »Aber ich habe gar keine passenden Sachen für so was«, fällt ihr ein. »Die sind doch viel zu teuer.«
Das ist mittlerweile ein echtes Problem bei Lissy. Nicht, dass ich etwas gegen Sparsamkeit hätte, aber Lissy ist eindeutig zu sparsam. Nach meinem Gewinn habe ich immer wieder versucht, ihr ein paar edlere Stücke zukommen zu lassen, damit sie nicht andauernd in ihrem deprimierenden Jeans-und-Uralt-T-Shirt-Look herumlaufen muss, aber das hatte überhaupt keinen Sinn. Lissy weigert sich aus Vernunftgründen hartnäckig, etwas zu tragen, das mehr als einen zweistelligen Betrag kostet. Erst im Frühjahr habe ich ein pfirsichfarbenes ArmaniKostüm aus den neuen Kollektionen für sie abgezweigt, mit dem Erfolg, dass sie es zwei Wochen später ungetragen bei eBay verkauft und den
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