Manche moegen's reicher
nirgends aufscheint, weil … na, weil sie eben neu ist und die Geschäfte mit ihrer Firma erst anlaufen. Genau.
Oder noch einfacher: Sie ist die Frau eines Geschäftspartners, der Philip gebeten hat, sich ein bisschen um sie zu kümmern, weil sie eine Kulturreise nach Europa machen will.
Oder sie ist die heimliche Geliebte dieses Geschäftspartners.
Oder … seine Tochter.
Na also. Ich finde, ohne lange nachzudenken, mindestens ein Dutzend Gründe dafür, warum Philip diese fremde Frau im Schlepptau hat, und sie sind allesamt völlig harmlos.
Seit Joe mir gestern davon berichtet hat, bete ich mir das immer wieder vor, und dennoch taucht diese Person stets aufs Neue wie ein Gespenst in meinen Gedanken auf.
Als wir das Gebäude für unsere neue Filiale besichtigten, zum Beispiel. Es war unglaublich. Dieses Projekt ist wirklich zu hundert Prozent das, was wir suchen, das Einzige, worüber wir uns noch nicht einigen konnten, ist der exorbitant hohe Mietpreis, aber auch der wäre verhandelbar, meinte Ray Jackson, übrigens ein ziemlich gut aussehender farbiger Immobilienmakler mit perlweißen Zähnen und einem perfekt sitzenden dunkelblauen Zweireiher. Nachdem wir uns verabschiedet hatten, war ich hin und weg – um schon im nächsten Augenblick in Gedanken wieder bei Philips geheimnisvoller Begleiterin zu landen.
Wieso zum Teufel hat er sie bei unserem Telefonat mit keinem Wort erwähnt?
Im Anschluss hat uns Emma mit ihrem riesigen roten Cabriolet direkt zu den Universal Studios kutschiert, wo wir an einer wahnsinnig interessanten Führung teilnahmen. Wir wurden zu den Kulissen von Der weiße Hai gefahren, und zur »Wisteria Lane« von den Desperate Housewives , und zum »Bates Motel« aus Psycho , und später kamen wir zu einem Drehort, wo die rauchenden Überreste eines abgestürzten Jumbojets aus Krieg der Welten vor sich hin kokelten. Lissy und ich schossen mit unseren Handys ungefähr eine Million Fotos, und wenige Minuten später dachte ich: Zweiunddreißig? Für eine neue Geschäftspartnerin ist das doch eindeutig zu jung, oder?
Im Anschluss haben wir uns dann Shows mit sensationellen pyrotechnischen Effekten und irren Stunts angeguckt, und im »House of Horrors« wurden wir von gruseligen Figuren zu Tode erschreckt. Als Emma dabei einem Darsteller, der uns als Mumie verkleidet aus einer verborgenen Nische heraus mit lautem Gebrüll ansprang, mit ihrer Handtasche eins überzog, schoss mir plötzlich durch den Kopf: Und falls sie als Touristin unterwegs ist: Wieso ausgerechnet Deutschland? Sightseeing in Europa würde man doch eher in Paris starten, oder in Rom, nicht wahr?
Und als wir im Anschluss im The Grill zu Abend aßen, dachte ich mir beim Anblick des Schokoladenkuchens: Dem Namen nach ist sie eine Latina. Ob sie auch so verführerisch aussieht wie dieser Kuchen?
Später, nachdem wir uns von Emma verabschiedet hatten und an der Hotelbar noch einen Absacker tranken, habe ich Lissy alles erzählt, und obwohl sie sich alle Mühe gab, mir meine Bedenken auszureden, merkte ich ihr deutlich an, dass auch sie sich ziemliche Sorgen machte. In der Nacht hatte ich dann prompt einen Traum, in dem ich Philip in flagranti im Bett mit einer rassigen Señorita erwischte und er mir weismachen wollte, das sei eine Flamencolehrerin, die er mir als Geschenk mitgebracht habe, und erst heute Morgen beim Frühstück fiel es mir dann wieder ein:
Ich kann hier zurzeit unmöglich weg.
Das waren Philips Worte gewesen. Das heißt also, er hat mich belogen!
Es ist übel. Wirklich übel. Ich bin hier am aufregendsten Ort der Welt, und doch kann ich das alles nicht richtig genießen. Lissy und ich haben am Vormittag Emmas Empfehlung befolgt und an einer dieser Celebrity Tours teilgenommen. Dabei wurden wir in einem offenen Bus quer durch Beverly Hills und Bel Air gefahren, wo wir uns an den Villen von allen möglichen Superstars die Augen aus dem Leib starrten, und später haben wir dann am Rodeo Drive gehalten, wo wir eine Stunde Zeit für Sightseeing bekamen.
Ich meine, jetzt mal im Ernst, wir reden hier vom Rodeo Drive! Dort gibt es alles, was einen modernen Menschen glücklich macht, angefangen von Gucci bis hin zu Jimmy Choo, Chanel, Prada und Dior und und und. Normalerweise wäre ich ausgeflippt, und man hätte mich an einen Laternenmast ketten müssen, damit ich nicht in einen Kaufrausch verfalle, aber heute geschah nichts dergleichen. Im Gegenteil, am Schluss war sogar ich es, die von Lissy überredet werden
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