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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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so fett, so nutzlos - aber wenn ich Hunger habe, dann bin ich stolz auf mich und ich fühl mich als könnt ich über allem fliegen.
     
     
    10 .01.1997
     
    Lang ists her, Weihnachten und Silvester sind rum, aber richtig was mitgekriegt habe ich nicht davon. Ich fühl mich dauernd überfordert und traurig, kann aber nicht sagen, wo das herkommt.
    Und trotzdem bin ich ständig unruhig, kann nicht still sitzen, muss mich bewegen.
    Lesen geht gar nicht mehr, ich kann mich kaum noch konzentrieren - das letzte Buch war über Magersucht und das hat mir echt die Augen geöffnet! Scheiße, ich steck da voll drin! Es hat so harmlos angefangen, ein bisschen Hungern mit Luisa, ein bisschen Fitnessstudio... tja, alle haben die Kurve bekommen, warum ich nicht??? Ich dachte, für so etwas muss man einen echten Grund haben, vergewaltigt worden sein oder so?! Ich hab doch auch nicht mehr Probleme als andere in meinem Alter, oder?
    Allerdings hab ich so das Gefühl bald am Ende meiner Kräfte angekommen zu sein, viel halt ich jedenfalls nicht mehr aus.
    Mum war mit mir bei einem Nervenarzt, der hat mir Therapie vorgeschlagen, hat Blut abgenommen, da ist soweit alles erst mal recht gut! Seither halt ich auch halbwegs mein Gewicht bei 44 Kilo, dafür könnt ich nur noch heulen. Meine Gefühle spielen Achterbahn, ich hab völlig den Bezug zu der Welt verloren.
    Außer wenn ich dieses Hungergefühl spüre, dann weiß ich, dass ich noch da bin!
    Und ganz ehrlich, wenn ich vom Nichtessen total geschwächt bin und frier, weil mir so schrecklich kalt ist, dann geht’s mir, so komisch es klingt, trotz allem gut! Es ist so wie wenn man auf einen Berg steigt und dabei schwitzt und voll fertig ist - du fühlst dich trotzdem gut dabei, weil du weißt, du kommst deinem Ziel näher, diese Nebenwirkungen gehören eben dazu und sind auch erwünscht, denn wenn das so leicht wäre, würde es ja jeder können!!!
    Ich kann die Welt da draußen nicht kontrollieren und habe keinen Einfluss darauf, was der Tag so bringt... und meistens bringt er nur Scheiße... oder was für Gefühle da wieder in mir sind... aber das hier kann ich kontrollieren. Ich kann meinen Körper kontrollieren, die Menge an Nahrung, die er bekommt und mein Gewicht.
    Allerdings erwisch ich mich immer öfter dabei, wie ich dauernd dasselbe denke, immer wieder und wieder, bis es mir auffällt und ich dann sozusagen weiterdenke. Oder dass ich nicht aufhören kann über eine Sache nachzudenken. Erst hab ich mich mit den Gedanken übers Essen von meinem Gefühlschaos abgelenkt, von all den Verliebtheiten, die doch nur enttäuscht wurden. Jetzt denk ich zwanghaft an essen, nicht essen und so weiter und muss mich mit Sport oder Arbeit davon ablenken. Ich kann nachts nicht einschlafen, wach ständig auf, der Horrortraum: „Ich sitz irgendwo und ess Berge von fettigem Essen und ich kann`s nicht raus kotzen!!!“
    Wenn ich also nicht jeden Tag im Voraus plane, dann hab ich Angst davor, ich könnte mal nichts zu tun haben, Langweile haben und dann essen, also muss ich jeden Abend mir genau überlegen, was ich am nächsten Tag mache. Langsam komm ich mir vor wie so ein Kontrollmonster, bloß alles im Griff haben, sonst geht die Welt unter...
    Es ist so komisch, weil ich mich so von außen betrachten kann und da weiß ich alles, da weiß ich, ich muss essen, da weiß ich, dass das alles von der Krankheit kommt... aber wenn ich dann ein Brötchen in der Hand habe, geht gar nichts. Ich brauch um einen Apfel zu essen, fast eine Stunde, so langsam knabber ich drauf rum, aber für mich ist das normal, nur an der Reaktion der Anderen sehe ich, das es das wohl nicht ist...
     
     
    02.02.1997
     
    Ich bin so langsam echt froh in Therapie zu kommen, weil Magersucht wohl doch eine ernste Krankheit ist. So langsam wächst mir das alles über den Kopf.
    Ich hab keine Kontrolle mehr!!! Ich will Essen und kann es nicht!!!! Ich will wieder normal sein!!!
     
     
    04.02.1997
     
    So, jetzt ist es soweit, Papa ist auf Messe und mein Bruder, meine Mutter und ich haben Riesenkrach. Sie sitzt heulend im Wohnzimmer, ich bin in meinem Zimmer und mein Bruder ist weggefahren... und das alles wegen mir!!! Ich komm mir so schuldig vor, ich bring wegen dieser blöden Krankheit noch unsere Familie auseinander! Ich glaube, Mum schämt sich voll wegen mir, denn langsam hat es sich herumgesprochen, dass ich magersüchtig bin. Und sie wird im Laden öfter darauf angesprochen. Das ist ihr peinlich, weil doch nach außen hin

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