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Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte

Titel: Manchmal ist das Leben echt zum Kotzen - Wie ich meine Essstörung besiegte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Federlein
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hinsetzten und ausruhen ließ, war aber vor allem später genau die Seite, die mich aufgeben ließ, die mir die Kraft raubte und mich zum heulenden Elend machte.
    Es wäre ja auch zu einfach gewesen, wenn es nur die gute oder schlechte Seite gäbe, dann hätte man nur eine zum Schweigen bringen müssen und man wäre gesund. Aber so ist es nicht, und ich brauchte Jahre um zu erkennen, dass beide Seiten wichtig und hilfreich für mein Leben waren und sind. Beide brauchen ihre Zeit und ihren Raum, gemeinsam machen sie mich aus und ich kann sie für, nicht gegen mich nutzen.
     
    Bis zu dem Zeitpunkt war für mich das, was ich da täglich tat, völlig normal. Das wenige Essen (manchmal nur einen Apfel am Tag oder vollständige Nahrung sofort wieder raus kotzen), das exzessive Training (jeden Tag Joggen, ins Fitnessstudio), die Stimmungsschwankungen (Ich hatte nicht grundlos das Reiten aufgehört - innerhalb von Sekunden konnte meine Laune von entspannt bis hin zu völlig aggressiv umschlagen, ich ließ mir nichts mehr sagen, reagierte sofort mit Ablehnung oder aber, was am häufigsten der Fall war, ich weinte stundenlang vor mich hin, hatte überhaupt keinen Antrieb mehr und empfand mein ganzes Leben als sinnlos). Ich tat das eben und dachte nicht darüber nach: So war ich eben und fertig!
    Und dann dieses Buch und die Erkenntnis, dass das eben nicht normal ist, dass mein ganzes Leben, wie es zu der Zeit war, einzig und allein von dieser Krankheit geprägt war. Nichts davon war ich!!! Das hatte gesessen und ich musste das erst mal verdauen. Aber ab dem Punkt fühlte ich mich auch nicht mehr gut mit der Hungerei. Was davor für mich eine gigantische Leistung war, auf die ich so stolz war, die mich über den Tag und über so manches tiefes Gefühlstal gehoben hatte, all das war plötzlich nichts mehr wert!
    Wenn ich mich jetzt auf die Waage stellte (heimlich, weil der Arzt gemeint hatte, das solle ich nicht mehr tun) und mein Gewicht ging runter, war ich klar stolz, aber sofort kam meine andere Stimme die sagte, du bist krank, du bist wertlos, du machst allen nur Kummer!
    Dann Engelchen und Teufelchen, die sich permanent in mir stritten. Egal um was es ging und sei es nur Essen - „Du kannst das nicht essen, das macht dich dick, dann war alles umsonst, werd nicht schwach usw.“ - „Komm, ein Brötchen geht schon, die Anderen essen viel mehr, das kannst du schon essen, du fällst sonst um usw.“, so ging es den ganzen Tag, hin und her, bei allem. Bis ich überhaupt keine Entscheidungen mehr treffen konnte und auch sonst keine Konzentration für irgendetwas hatte, weil dieser Dauerstreit zwischen meinen beiden Seiten einfach auf Endlosschleife stand. Ich konnte nicht mehr lesen, spätestens beim dritten Satz hab ich gemerkt, dass ich schon wieder mit den Gedanken abschweifte und keine Ahnung hatte, was ich gerade gelesen hatte. Auch Fernsehen ging eigentlich nicht, aber da fiel es nicht so auf, ich saß halt davor und grübelte - oer mobbte mich, wie schon erwähnt, selber.
    Aber davor war es einfacher gewesen, da hieß es einfach, runter mit dem Gewicht, dann guter Tag, rauf mit dem Gewicht, scheiß Tag, mit viel Joggen und wenig Essen.
    Aber jetzt wurde es kompliziert, weil die klare Entscheidung, immer mehr abzunehmen, Gegenwind bekam, jetzt wurde das Gestreite in meinem Kopf immer heftiger: „Iss was, das ist nur die Krankheit, die dich abhält, sei gut zu dir, gönn dir was!“ - „Die wollen dich nur wieder fett sehen, damit sie sich besser fühlen, du hast so toll abgenommen, lass dir das nicht nehmen, du willst doch nicht wieder dick sein!“
    Kein Wunder, dass ich irgendwann so fertig war, dass ich angefangen habe, einen richtigen Zählzwang zu entwickeln. Ich zählte einfach immer bis 7, meistens Ecken und Kanten, immer bis ich bei der Sieben war, dann wieder von vorne. War zwar auch nervig, aber es hinderte meine beiden Seiten, in einer Dauerdiskussion zu enden.
    Ich wurde immer depressiver und des Öfteren hab ich über Selbstmord nachgedacht. Da ich jetzt spürte, wie hilflos ich war, wie gefangen in diesem Teufelskreis, denn wenn ich etwas aß, dann fühlte ich mich so träge, schlapp, müde, faul und vollgestopft, dass ich das kaum aushalten konnte und wollte. Allerdings wurde ich dann gelobt und ich sah, wie alle sich freuten und glücklich waren. Aß ich nichts, ging das Kopfkino los und meine Eltern waren enttäuscht - dafür fühlte ich mich gut.
    Als mein Vater dann mit der Möglichkeit einer

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