Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
Vom Netzwerk:
wissen, dass wir hier sind.«
    »Die kommen mit dem Auto gar nicht auf den Waldweg. Die müssen vorher irgendwo aussteigen und suchen. Also bleib unten.« Dann sah er mich an. »Sigi, du blutest immer noch«, sagte der Mandel vorwurfsvoll.
    »Weil dein Verband so scheiße ist«, sagte ich.
    Wir lagen ein paar Minuten schweigend hinter dem Boot und konnten nicht sehen, was sich auf der bewaldeten Düne tat. Wir hörten stattdessen Stimmen am Strand. Ich musste an die Spuren denken, die wir vielleicht im Sand hinterlassen hatten. Gottseidank hatte es nicht mehr geregnet seit heute Morgen.
    Die Stimmen, die wir hörten, gehörten zu einem Rentnerpaar, das sich in einem süddeutschen Singsang über den Koloss von Prora unterhielt.
    »Das war doch eine schöne Ausstellung. Der Film war sehr aufschlussreich«, sagte er.
    »Mir waren da zu viele Hakenkreuze in der Ausstellung«, sagte sie.
    »Ach, so war das halt früher«, sagte der Mann.
    »Aber man muss ja nicht immer so ins Detail gehen«, sagte die Frau.
    »Aber sonst ist es ja nicht historisch«, sagte der Mann.
    Das Ehepaar ging auf unserer Seite an dem Boot vorbei.
    »Grüß Gott«, sagte der Mandel, im Sand liegend.
    »Hilfe, jetzt haben Sie mir aber einen Schrecken eingejagt«, sagte die Frau zum Mandel. »Mit Ihrem schwarzen Mantel.«
    »Sie mir auch«, sagte der Mandel und stand auf. Keine Spur von dem Pickeligen oder dem Mittelscheitel.
    »Auf geht’s, Sigi.«
    Der Mandel joggte los, am Wasser entlang in Richtung Binz. Ich folgte ihm, so gut ich konnte, aber der Bauch.
    »Die haben doch sicher nicht aufgegeben«, sagte ich beim Joggen.
    »Sicher nicht«, sagte der Mandel, ohne dass es ihn zu beunruhigen schien. »Aber hier sind jetzt zu viele Leute.«
    Mit jedem Meter wurde der Strand tatsächlich bevölkerter. Ältere Menschen, die einen Nachmittagsspaziergang unternahmen. Ausnahmsweise beneidete ich die Leute, weil sie wussten, viel passiert heute nicht mehr. Und auch sonst nicht mehr. Nach über zwanzig Minuten waren wir an der Promenade angekommen, und ich war froh, endlich wieder Asphalt unter den Füßen zu haben, weil Sand ist scheiße, wenn man es eilig hat.
    Unter Führung vom Mandel betraten wir das erstbeste Hotel auf der Promenade und marschierten an der Rezeption vorbei zur ausgeschilderten Toilette. Ich zog mein Hemd aus, und der Mandel wusch mit nassem Klopapier und Wasser die Bauchwunde aus. Ich hatte eine wahnsinnige Angst, dass die Klopapierfetzen in der Wunde hängenblieben und sich entzündeten. Ich vertraute auch nicht unbedingt in die medizinischen Fähigkeiten vom Mandel. Doch dann band er mir den Verband richtig fest um und gab mir seinen schwarzen Kapuzenpullover, damit mir nicht mehr so kalt war.
    »Hat die Malleck tatsächlich eine Schwester?«, fragte ich den Mandel.
    »Klar«, sagte der Mandel.
    »Toll, die wird sich bedanken.«
    »Die wohnt aber in Köln. Bis die das herausgefunden haben, müssen wir in das Haus vom Tilmann und sicherstellen, dass Adriana nichts passiert.«
    »Und wo ist das Haus vom Tilmann?«
    »Das wissen wir gleich«, sagte der Mandel.
    Und das war jetzt schon beachtlich, wie er das alles hinbekam mit der Flucht und den weiteren Plänen. Aus dem war ja ein richtiger Aktivist geworden.
    Der junge Mann hinter der Rezeption trug einen Anzug, der ihm viel zu groß war. Von maßgeschneidert konnte keine Rede sein. Und eine randlose Brille, die aussah wie aus einem Designer-Alptraum. Früher war ja Hornbrille das Erkennungszeichen der Nerds gewesen, jetzt war Hornbrille der letzte Schrei, und den Nerds blieben nur die Randlosen. Seine Haare waren zu schwarz gefärbt für einen Hotelmanager und seine Haut zu weiß für einen Beach Boy aus Binz. Klarer Fall von Gothic, für den Beruf zurechtgemacht. Wahrscheinlich Azubi.
    »Einen schönen guten Tag«, sagte der Mandel. »Interessieren Sie sich für Musik?«, fragte er den Rezeptionisten und fingerte eine Visitenkarte aus der Innentasche. Da wir für das Büro noch keine gemacht hatten, musste es eine vom Express sein.
    »Hmm. Umm, ja schon«, sagte der Gothic-Azubi. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, errang er seine Dienstleistungsverfassung zurück.
    »Mein Name ist Max Mandel, ich bin Journalist für das Magazin Rock’n’Roll-Express .«
    Der Mandel überreichte die Visitenkarte.
    »Ah. Das kenne ich«, sagte der Gothic-Rezeptionist nicht unbeeindruckt.
    »Ich schreibe eine Reportage über die Band DEMO .«
    »Hmm, der Leo Tilmann. Ja, tragisch, wir haben die alten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher