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Mandels Buero

Mandels Buero

Titel: Mandels Buero
Autoren: Berni Mayer
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Songs früher auch gehört.«
    Das stimmte wohl. Es war immer das Erfolgsgeheimnis von DEMO gewesen, mit ihrem melancholischen Getue neben den Punks und den Poppern auch die gotische Kaufkraft abzugreifen. Und die ist enorm in Deutschland, glaubt man nicht, aber ich kenne die Zahlen.
    »Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass der Herr Tilmann hier in Binz ein Haus besitzt, in dem er gelegentlich ist, äh, war. Ich bin mir sicher, dass Sie mir da weiterhelfen können«, sagte der Mandel zum Gothic-Azubi.
    Ich glaube, der Azubi freute sich sehr über den Besuch vom Mandel, gerade weil der kein Hotelgast war. Hauptsache mal kein Rentner an der Rezeption, auf der Suche nach frischem Obst und einem Schluck Tafelwasser. Auch wenn er jetzt so tat, als würde er sich wegen der Information winden und quälen – der Mandel hatte ihn schon für sich gewonnen.
    »Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen, Herr Mandel«, sagte der Gothic-Rezeptionist gequält.
    »Schon klar, Herr Wisnow. Oder kann ich Andy sagen?«
    Den Namen hatte er von dem Namensschild abgelesen.
    »Äh, ja, geht beides«, sagte der Andy Wisnow.
    »Andy, das versteh ich. Diskretion ist ja heutzutage auch von allergrößter Wichtigkeit. Ein hohes Gut, das immer mehr abhandenkommt.«
    Der Andy Wisnow nickte zögerlich, weil der Mandel sich so geschwollen ausdrückte.
    »Andererseits würde ich dir auch als Dankbarkeit eine Karte fürs Nocturnal Blast zukommen lassen. Mit Backstage. Ist das nicht schon im Mai? Ist das so deine Richtung?«
    »Äh. Ja«, sagte der arme Andy Wisnow, völlig überrumpelt von der jovialen Attacke. Dann nahm er die randlose Brille ab und rieb sich die Augen, bis sie rot waren.
    »Ich weiß, dass das Haus in der Nähe von dem UFO ist«, sagte der Mandel.
    Schuss ins Blaue, nahm ich an.
    »Genau. Das ist die alte Villa Sturmvogel. Direkt an der Promenade ganz hinten. Das drittletzte Haus.«
    »Andy«, sagte der Mandel väterlich. »Du bist klasse. Ich schick dir die Karten hierher.«
    »Geil«, sagte der Andy Wisnow und räusperte sich dann, als wäre ihm seine Begeisterung peinlich.
    »Ruf mich jederzeit an, wenn du noch Fragen hast«, sagte der Mandel.
    »Sie haben nicht zufällig eine Aspirin hier?«, fragte ich.
    »Doch, klar«, sagte der Andy Wisnow und holte unter dem Tresen ein kleines Glasdöschen mit Pillen hervor. Ich nahm mir fünf und schenkte mir ein Glas Wasser aus einer Glaskanne ein, die für die guten Gäste jederzeit bereitstand. Neben dem frischen Obst. Der Mandel wartete ungeduldig, bis ich ausgetrunken hatte.
    »Ciao, Andy«, verabschiedete sich der Mandel, und wir gingen.
    »Tschüssi dann.«
    Andy Wisnow, der Gothic-Azubi, stand hinter seinem Tresen und wirkte hilflos in seinem alles andere als maßgeschneiderten Anzug und seiner randlosen Brille.
    Die Mandelshow war in vollem Gange. Als ob die Lebensgefahr ihn erst richtig in Fahrt gebracht hätte. Da war nichts mehr träge und behäbig an ihm. Er war im Fluss, das Adrenalin war im Einsatz. Er wirkte mit jeder Minute mehr so, als hätte er die Dinge umfassend im Griff. Mich dagegen hatte der Schmerz umfassend im Griff. Ich setzte jetzt einige Hoffnung auf die fünf Aspirin.
    Bis zum UFO würden wir mindestens eine Viertelstunde brauchen. Ich schaute mich beim Gehen um. Einerseits aus Angst vor dem Scheitel und dem Pickeligen, andererseits wegen der Landschaft. Es dämmerte schon, und der Wind blieb sanft. Die Wellen überschlugen sich nur einmal kurz vor dem Strand, und die Luft roch nach Kiefern und Salzwasser. Es war doch gar nicht so schlecht auf Rügen. Bis auf die Lebensgefahr. Ich hätte jetzt einfach nur gerne ein bisschen meine Ruhe gehabt. Einfach nur irgendwo hinlegen. Man schraubt seine Ansprüche im Ernstfall ja immer nach unten. Ansonsten hätte ich jetzt gefordert: kein Loch mehr im Bauch, einen Anorak, einen warmen Grießbrei mit Butter und Zimt, ein Doppelbett für mich alleine, ohne das Geschnarche vom Mandel. Und keine Lebensgefahr mehr. Keine Rechten. Keine Morde und keine Veränderung mehr. Aber weil man nicht alles haben kann im Leben und schon gleich gar nicht im Ernstfall, hätte ich mich auch mit einfach nur irgendwo Hinlegen zufriedengegeben. Aber mein Einsatzleiter trieb mich voran.
    Die Villa Sturmvogel war – und jetzt fällt mir kein blöderes Wort ein – hochgradig pittoresk, so dass sich in meinem Kopf sofort Szenarien von Kaminfeuer und Wolldecken abspielten. Direkt am Waldrand, zu ihren Füßen der Strand. Schneeweiß und ein
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