Mandys Verlangen
Lachen verstummte. Eine Weile sah er schweigend vor sich hin, was Mandolyn Gelegenheit gab, seine Züge eingehend zu studieren.
Nick war damals schon ein ausgesprochen gut aussehender Junge gewesen. Aber jetzt, zum Mann greift, war er einfach umwerfend. Der Prototyp eines Managers, wie man ihn aus der Werbung kannte. Groß, breitschultrig, mit schmalen Hüften und langen Beinen und einem markanten, gut geschnittenen Gesicht, in dem braune Augen lebhaft funkelten.
»Ich war ein ziemliches Ekel, nicht wahr?«
Er hatte so lange geschwiegen, dass Mandy beim Klang seiner Stimme beinahe erschrak. Hastig wandte sie den Kopf und starrte zu Mo hinüber, der mit gezücktem Stift und Block auf ihren Tisch zusteuerte.
Sie bestellten Salat und Pizzabrot, dazu frisch gepressten Orangensaft und Kaffee. Als Mo den Tisch verlassen hatte, nahm Mandy das Gespräch wieder auf.
»Was tust du eigentlich hier?«, erkundigte sie sich, ohne auf Nicks vorangegangene Frage einzugehen. »Machst du hier Urlaub?«
»So was Ähnliches.« Nicholas dachte kurz an Leonie, die inzwischen hoffentlich ausgezogen war. Zeit genug hatte sie ja gehabt. »Ich musste mal aus dem ganzen Stress raus. Da habe ich mich ins Auto gesetzt und bin einfach der Nasenspitze nachgefahren. Sie hat mich direkt hierhergeführt.«
»Und was willst du mit der Farm?«
Nicholas lächelte verhalten.
»Ehrlich gesagt weiß ich das noch gar nicht«, gab er zu. »Allerdings weiß ich genau, dass ich diese Farm haben muss. Vielleicht werde ich sie als Wochenendadresse und Feriendomizil nutzen oder …« Sein Gesicht nahm einen nachdenklich verträumten Ausdruck an. »Vielleicht ziehe ich auch ganz hierher. Ich weiß es noch nicht.«
Mandys Miene hatte sich während seiner Rede verfinstert. Seine Worte waren für sie typisch für die Claytons. Sie wollten etwas haben, also kauften sie es. Egal, was es kostete, und egal, was sie später damit anstellen würden. Hauptsache, es befand sich in ihrem Besitz.
»Ich lebe seit fünf Jahren in Tennessee«, fuhr Nick fort. »Du weißt, dass ich mich mit meinem Vater überworfen habe?«
Mandy sah ihn überrascht an.
»Nein.« Sie verstummte, weil Mo mit einem vollen Tablett an den Tisch trat. Erst als er die Getränke und Salate serviert hatte, sprach Mandy weiter. »Ich war das letzte Mal vor vier Jahren in Jacquody, zur Beerdigung meines Vaters. Da habe ich mich nicht sehr um den Tratsch gekümmert.«
»Hast du keinen Kontakt zu deinen Geschwistern?«
Mandy hob die Schultern. Sie öffnete den Mund, um zu antworten, aber in diesem Moment meldete sich das Handy in ihrer Tasche.
Sie murmelte eine hastige Entschuldigung, zog es heraus und meldete sich. Gleich darauf lauschte sie aufmerksam. Offensichtlich handelte es sich um eine wichtige Angelegenheit. Nicholas konnte die aufgeregte Stimme hören, die als Quäken aus dem Handy bis zu ihm drang. Wer immer da anrief, er hatte ein massives Problem, und das bestätigte auch Mandolyns Reaktion, als sie in beruhigendem Ton versicherte, sich sofort um alles zu kümmern. Sie verabschiedete sich freundlich, dann klappte sie das Handy wieder zu und wandte sich an Nicholas.
»Ich muss nach der Besichtigung der Farm nach Kittredge. Ein Farmer hat seinen Traktor in den Bach gefahren und sich dabei beide Beine gebrochen.«
»Machst du das öfter?«, erkundigte Nick sich interessiert.
»Was? Nach Kittredge fahren?«
»Nein, dich um Bauern kümmern, die im Bach liegen.« Nicholas schmunzelte.
»Das gehört zu meinem Job.« Mandy hob die Schultern. »Wo waren wir stehen geblieben?«
»Bei deinen Geschwistern. Hast du Kontakt zu ihnen?«
»Wir sind in alle Winde zerstreut. Mutter ist gleich nach Daddys Tod nach New York zurückgegangen. Sie hat inzwischen wieder geheiratet. Und die anderen?« Sie hob noch einmal in einer ratlos wirkenden Geste die Schultern. »Okay, wir telefonieren, treffen uns zu Hochzeiten, Taufen und ähnlichen Anlässen, aber Jacquody ist irgendwie kein Thema mehr. Ich glaube, wir versuchen alle, es zu vergessen.«
»Seltsam.« Nicholas griff nach seinem Besteck, aß aber nicht, sondern stocherte nur gedankenverloren in seinem Salat herum. »Diese Stadt hat etwas Unseliges an sich. Etwas Böses, würde ich fast behaupten. Das wurde mir zum ersten Mal bewusst, als ich nach dem Studium dorthin zurückkehrte. Ich habe es in Jacquody nicht mehr ausgehalten.« Er seufzte. »Mein Vater wollte, dass ich ein Mädchen aus Baton Rouge heirate. Einflussreiche Familie, ihr Vater
Weitere Kostenlose Bücher