Manhattan Blues
mit der Marlund. Was für eine Verschwendung.«
Walter legte Griffin freundlich eine Hand auf die Schulter.
»Sie war eine gestörte Frau«, sagte er.
»Ja, aber ich meine, hier waren Sie drauf und dran, eine Frau zu
bumsen, die so aussah, und dann geht sie los und bringt sich um!« sagte
Griffin. »Was für eine Vergeudung.«
»Danke für Ihr Mitgefühl, Jack«, sagte Walter und machte sich frei, um
zu Forbes jr. ins Büro zu gehen.
»Walter!« rief Jack hinter ihm her. »Ich dachte immer, Ihr Nachname
sei Withers!«
»Die Zeitung hat das in den falschen Hals gekriegt!«
»Du lieber Himmel...«
Die Pfeife von Forbes jr. stieß Rauch aus wie eine kleine Dampflok,
als Walter in sein Büro geleitet wurde.
»Verdammt schade, das mit Marta Marlund«, sagte Forbes stoisch und
klemmte die Pfeife männlich zwischen den Zähnen fest. »Ich nehme an, die
Polizei hat mit Ihnen Kontakt aufgenommen.«
»Ja, Sir.«
»Haben Sie...«
»Ich habe es nicht für notwendig gehalten, den Senator zu erwähnen.«
»Sie haben eine Zukunft bei Forbes und Forbes«, sagte Forbes.
»Das hoffe ich, Sir.«
»Sie können sich darauf verlassen«, erwiderte Forbes. »Sie haben sich
sehr gut verhalten, Withers, wirklich, sehr gut. Sie sollen wissen, daß die
Firma das zu schätzen weiß.«
»Vielen Dank.«
»Sie könnten sich allerdings versucht fühlen, aus der Schule zu
plaudern.«
»Richtig.«
»Sie sind die Berühmtheit des Büros geworden«, fuhr Forbes fort. »Die
Mädchen sind alle völlig verrückt nach Ihnen.«
»Ich werde mich bemühen, daraus keinen unschicklichen Vorteil zu
ziehen.«
Forbes jr. blinzelte und begriff dann, daß es ein Scherz war, und
probierte es mit seiner besten Version eines kameradschaftlichen Glucksens. Er
erholte sich so weit von seiner Heiterkeit, daß er fragen konnte: »Wie weit
sind Sie inzwischen mit der Howard-Akte?«
»Bin gerade dabei, die Sache abzuschließen, Mr. Forbes. Noch ein oder
zwei Details...«
»Nageln Sie sie fest und schreiben Sie alles auf«, sagte Forbes.
»Obwohl wir uns mit Nachforschungen befassen, werden wir für Berichte bezahlt.«
Also machte sich Walter pflichtschuldigst auf den Weg, um mit dem
sprichwörtlichen Hammer in der sprichwörtlichen Hand die Bestätigung von
Michael Howards Homosexualität festzunageln, damit er einen Bericht darüber
schreiben konnte. Einen Bericht, der vermutlich mit dem eine Karriere
beendenden roten Fähnchen versehen werden, bei Forbes und Forbes aber
gleichwohl positiv zur Bilanz beitragen würde.
Weil es jetzt darauf ankam, die Sache cool zu spielen, einen normalen
Arbeitstag hinzulegen, bis er Verbindung aufnehmen konnte. Sollte sich das Rad
ruhig sozusagen um ihn drehen - das würde es auch tun -, er würde ruhig in der
Radnabe sitzen bleiben.
Nichts weiter als ein neuer Arbeitstag.
Knauserig mit Forbes' Geld (obwohl Walter es irgendwie eher für
Dickless Tracys Geld hielt; nur zu gut erinnerte er sich an den Morgen, an dem
der alte Buchhalter wie ein städtischer Ausrufer durch den Korridor spazierte
und klagte: »Zu viele Taxifahrten! Zu viele Taxifahrten!«), fuhr er mit der
U-Bahn bis zur Ecke 72. und Broadway, einer Verkehrsinsel, welche die Stadt
als Sherman Square bezeichnete und jeder sonst nur unter dem Namen Needle Park
kannte. Diese dreieckige Oase im breitesten Teil des Broadway wies eine höhere
Heroin-Konzentration auf als etwa die Innenstadt von Istanbul. Ihre Bürger
trugen entweder den gehetzten Gesichtsausdruck der Verzweifelten oder starrten
mit den glasigen Augen der Verzückten. Es waren Menschen, die entweder im
Himmel oder in der Hölle lebten und kein irdisches Mittelmaß kannten, sondern
auf ihre Engel in den Doughnut-Läden und den Imbißbuden warteten, die die Ostseite
des Parks begrenzten. Es war Walters begründete Meinung, daß wenn zehn oder
zwölf ausgemergelte Pilger um sechs Uhr morgens vor einem Imbiß-Schuppen
standen und darauf warteten, daß er aufmachte, sie es nicht wegen einer Tasse
Kaffee und einem Schokoladen-Doughnut taten, sondern vielmehr für diesen
Augenblick der Lieferung, in dem Al, Phil oder Chick - die Engel, die Dealer -
mit dem Cellophan-Umschlag voller Paradies eintrafen, der für den Morgen
reichen sollte.
Needle Park hatte eine gute Lage - fern von den Touristenzentren, von
der wohlhabenden East Side durch den Central Park getrennt, viel weiter uptown
als Little Italy, wo die Heroin-Importeure mit ihren Frauen und Kindern lebten.
Nein, es war für jeden ein gutes
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