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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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sie zu
übernehmen, und bestand auch nicht darauf, für sich zu bezahlen, da dies Dieter
zutiefst beleidigt hätte. Dieter bezahlte in bar. Sie zogen ihre Mäntel an und
schlenderten auf der 57. Straße nach Westen, als Dieter sagte: »Walter, ich
mache mir Sorgen um Sie.«
    »Sie wissen, daß ich Scandamerican verlassen habe.«
    »Aber ich mache mir trotzdem Sorgen.«
    Dieter ging sehr eng neben ihm her, so daß sein Mantelärmel den von
Walter berührte.
    »Weswegen?« fragte Walter.
    »Ich höre so manches.«
    Wieder diese scheußlich nagende Furcht.
    »Was hören Sie, Dieter?«
    »Über Sie und Senator Keneally«, erwiderte Dieter. »Über Sie und Marta
Marlund.«
    »Ein nicht ganz einfacher Auftrag, das ist alles.«
    Dort auf dem Bürgersteig der quirligen 57. Straße. Ungeheurer
Verkehrslärm, ungeheurer Lärm der Menschen. Kein Mikrophon der Welt kann uns
jetzt abhören, dachte Walter.
    Dieter sagte: »Das FBI interessiert sich sehr für Senator Keneally.«
    »Was heißen soll, daß er ein US-Senator ist«, erwiderte Walter
gleichmütig. Er fühlte sich aber nicht so, denn wenn die beiden grimmig
dreinblickenden Herren, die er am Abend vor Martas Tod gesehen hatte,
tatsächlich beim FBI arbeiteten, war er in Schwierigkeiten.
    »Und eines Tages vielleicht sogar Präsident«, fügte Dieter hinzu.
    »Vielleicht.«
    »Hoover interessiert sich also sehr für sein Sexleben, ja?« sagte
Dieter lachend.
    »Sie kennen doch J. Edgar«, sagte Walter. »Er schnüffelt gern in den
Bettlaken von Leuten herum.«
    »Inklusive Ihren.«
    Walters Blut erstarrte ihm, wie man so sagt, plötzlich in den Adern.
Aber so ist es tatsächlich, dachte Walter. Mir ist plötzlich ganz kalt
geworden.
    »Ja«? fragte er.
    »Ich höre so manches.«

Und dann war Dieters Hand in Walters Manteltasche. Als er Walters Hand
hielt, war plötzlich etwas Kaltes und Metallisches zwischen ihren warmen
Händen. Ein Händedruck zum Abschied, und dann war die Hand verschwunden.
    Und ein Flüstern von Dieter: »Versprich mir eins. Nur wenn du es
wirklich brauchst. Sonst ist es zu gefährlich.«
    »In Ordnung.«
    »Versprich es.«
    »Ich verspreche es.«
    Dieter blieb stehen und sagte: »Ich muß jetzt in die andere Richtung.«
    »Also, vielen Dank für das Essen.«
    »War mir ein Vergnügen«, erwiderte Dieter. »Ich
fliege heute abend nach Deutschland zurück.“
    »So bald schon?“
    »Es ist Zeit.“
    »Nun, na dann ...«
    Und wieder hätte Walter am liebsten geweint, weil
Dieter so zerbrechlich aussah, als er dort auf dem Bürgersteig stand. Wie das
feinste Kristall oder Porzellan, so zerbrechlich.
    Dieter schüttelte ihm die Hand und sagte: »Passen Sie gut auf sich
auf, mein Freund.«
    »Passen Sie auch gut auf sich auf, mein Freund«,
erwiderte Walter. »Und vielen Dank.«
    Eine letzte Handbewegung, worauf Dieter sich umdrehte und wegging.
Walter blieb noch einen Moment stehen und sah ihm nach, betrachtete den Rücken
von Dieters Mantel, der auf dem Bürgersteig allmählich inmitten Dutzender anderer
verschwand, sah zu, wie Dieter von der Stadt aufgesogen wurde.
     
    Als Walter nach Hause kam, entdeckte er, daß seine Wohnung durchsucht
worden war.
    Es fehlte natürlich nichts, aber man hatte sich auch nicht die
geringste Mühe gegeben, das Ganze wie einen Einbruch aussehen zu lassen. Wer
immer die Wohnung durchsucht hatte, ihm war es gleichgültig, daß Walter es
merkte, obwohl dieser wünschte, sie hätten auch noch den letzten Schritt getan
und eine Visitenkarte zurückgelassen, denn es gab so viele Parteien, die sich
für den unersättlichen Präsidentschaftsaspiranten Joe Keneally interessierten.
    Nein, Walter hatte schon erwartet, daß man ihm einen Besuch
abstattete. Nur eins ärgerte ihn wirklich: Nämlich daß seine Besucher es für
notwendig gehalten hatten, seine sämtlichen Platten aus den Schutzhüllen zu
ziehen und sie auf dem Fußboden zu verstreuen, womit sie den empfindlichen
Vinylscheiben weiß Gott was für Schaden zugefügt hatten.
    Als er sich also daran machte, die Platten zu sortieren und Miles von
Monk zu trennen und Bird von Bean, läutete es an der Tür. Es war Detective Sergeant Sam »nicht Sammy« Zaif vom
New York Police Department.
    »Damit ist wieder ein kulturelles Klischee im Eimer«, sagte Zaif, als
er das Chaos betrachtete. »Daß Schwule schwer zufriedenzustellen sind.«
    »Ich weiß nicht, ob ich heute nachmittag für Ihre Art von Humor in
Stimmung bin, Sergeant.«
    »Haben Keneallys Jungs Ihre Wohnung

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