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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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ab. Dann
unterzeichnete er die Akte — Aktenzeichen DD 00023, Burbach, David M. — und
nahm ein Taxi zu McGuires Wohnung, um ein weiteres loses Ende zu verknoten.
     
    McGuire sah schlecht aus. Sein Gesicht war bleich und aufgedunsen,
sein sonst weißes T-Shirt war mit etwas wie Erbrochenem befleckt, und seine
Khakihosen waren schmutzig und zerknittert.
    Retten Sie ihn, hatte Madeleine Keneally gebeten.
Retten Sie ihn.
    »Es ist wieder so ein Dylan-Thomas-Tag, nicht wahr?« fragte Walter. Er
quetschte sich an McGuire vorbei in die Wohnung.
    »Kann nicht schreiben.«
    »Kein Wunder.«
    »Ich kann nicht schreiben, und so trinke ich.“
    »Aber Sie werden zugeben müssen, daß wir hier so etwas wie das Problem
von Pferd und Kutscher haben«, sagte Walter. Er zündete eine Zigarette für
McGuire und eine zweite für sich an, stellte sich ans Fenster und blickte auf
das Village.
    Hier gibt es keine Kästen aus Glas und Stahl, dachte Walter.
Jedenfalls jetzt noch nicht.
    »Diese Stadt«, sagte Walter, »ist für mich immer ein magischer Ort
gewesen.«
    »Das sind alle Städte.«
    »Nein«, entgegnete Walter. »Ich glaube tatsächlich, daß jeder Mensch
eine Stadt seiner Jugend hat und daß kein anderer Ort deren Magie gleichkommt.«
    »Sie hören sich an wie ich«, sagte McGuire glucksend.
    »Wie auch immer«, sagte Walter. »New York ist die Stadt meiner Jugend.
Es ist meine Stadt.«
    »Touche.«
    Walter wandte sich vom Fenster ab und sagte: »Aber es ist nicht Ihre.“
    »Nein?«
    »Nein. Für manche Menschen ist diese Stadt magisch. Für andere ist sie
Gift«, sagte Walter. »Ich glaube, für Sie ist sie Gift. Ich glaube sogar, Sie
sollten abreisen.«
    »Glauben sie das wirklich, Mann?«
    »Ich möchte, daß Sie jetzt abreisen.«
    McGuire schüttelte den Kopf - nicht um zu widersprechen, sondern um
wieder klar denken zu können — und fuhr sich mit den Fingern durch sein
fettiges Haar. Er holte zwei Flaschen Knickerbocker aus dem Kühlschrank,
öffnete sie auf dem Küchentresen und reichte Walter eine davon.
    »Saubere Gläser habe ich nicht«, sagte er und ließ sich auf die
Matratze fallen.
    Walter setzte sich auf den Küchenstuhl vor McGuires alter
Schreibmaschine, in der ein leeres Blatt steckte, jungfräulich wie Neuschnee in
Vermont.
    Walter hob seine Flasche. »Auf Jim Katcavage.«
    »Auf Jim Katcavage.«
    Jetzt trinke ich schon wieder im Dienst, dachte Walter, als ihm das
kalte Bier durch die Kehle rann. Ah, schön, manchmal ist das Trinken im Dienst
eben der Dienst.
    »Was wollen Sie damit sagen, Mann? Sie wollen, daß ich abreise?«
    Walter nickte. »Was ich will, ist folgendes: Sie sollen mir jeden
Brief, jedes Foto, jedes Blatt Papier geben, das Sie mit Madeleine Keneally in
Verbindung bringen könnte. Danach wünsche ich, daß Sie die Stadt verlassen.«
    »Hat Madeleine Sie geschickt?«
    »Darauf kommt es nicht an.«
    »Oder Keneally?«
    »Darauf kommt es nicht an.«
    »Ich muß es aber wissen!«
    Was für ein Wehklagen. Es erinnert mich an meine Situation, dachte
Walter. Ja, ich kann verstehen, daß er es wissen will. Damit du heute abend,
wenn du voller Zorn überlegst, was du tun sollst, für deine Flüche einen Namen
hast.
    Walter hob erneut die Flasche. »Auf die Probleme des Herzens.«
    »Auf die Probleme des Herzens«, prostete McGuire. »Wer sind Sie,
Mann?«
    »Unter anderem«, erwiderte Walter, »bin ich der Mann, dem Sie
zweitausend Dollar schulden.«
    »Aber ich habe die Wette doch gewonnen.«
    »Nein, ich habe sie gewonnen«, entgegnete
Walter. »Sie haben gar nichts gewonnen. Sie hätten sogar auf das Verliererteam
gesetzt.«
    »Sie sagten doch, ich wäre vom Haken«, protestierte McGuire.
    »Haben Sie gedacht, Sie könnten das alles umsonst haben?« fragte
Walter. »Daß Sie auf dem großen Highway des Lebens einfach nur den Daumen in
die Höhe recken und daß jemand Sie mitfahren läßt und Sie überall hinbringt,
wohin Sie wollen? Glauben Sie wirklich, Sean, daß das Leben so ist?«
    »Sie haben mich reingelegt.«
    »Nun ja«, sagte Walter, als wäre es die offenkundigste Sache der Welt.
Was es für Walter war.
    »Der Weg war so einfach, nicht wahr?« fügte Walter weich hinzu. »Eine
Schachtel Zigaretten, ein voller Benzintank und ein endloser Highway nach
Westen.«
    McGuire funkelte ihn böse an, wuchtete sich dann hoch und wühlte ein
paar Minuten in seinem Kleiderschrank herum, während Walter sein Bier austrank.
Dann reichte McGuire ihm einen Schuhkarton voller Papiere und

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