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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Mann ist Amateur, vielleicht
ein Geschäftsmann, der einen Deal wittert, aber kein Profi, der sein Handwerk
versteht. Vielleicht ist er auch nur zu einem romantischen Abenteuer unterwegs.
Einem eiligen Austausch von Körperflüssigkeiten und anderen Geschenken, bevor
er wieder zur Weihnachtsfeier im Büro geht, dem Zug nach Darrien und der
obligaten Ehefrau und zwei Kindern und einem Weihnachtsabend, an dem man Modellbahngleise
zusammenfummelt oder Lasche A in den falschen Schlitz von B steckt.
    Als Howard den Park erreichte, bog er nach Osten ab und ging direkt
auf Walter zu.
    Er geht sozusagen ans Netz, dachte Walter. Eine kühne Entscheidung für
einen Grundlinienspieler, und außerdem hast du mich auf dem falschen Fuß
erwischt. Ich kann nicht einfach stehenbleiben und ganz gewiß nicht auf dem
Absatz kehrtmachen, um dir zu folgen. Also eins zu null für dich.
    Walter ging auf der Lexington in südlicher Richtung weiter und ließ
Howard auf der 21. Straße hinter sich auf die Ostseite hinübergehen. Er ging
den halben Häuserblock weiter und blieb dann stehen.
    Am schlauesten wäre es jetzt, für heute aufzugeben, dachte Walter.
Versuch es noch einmal und laß ein paar Männer in der Gegend warten, so daß
Howard selber im Netz landet, wenn er ans Netz
geht. Doch das würde kostspielig werden und dazu noch riskant, denn wenn Howard
ihn tatsächlich entdeckt hatte und in Industriespionage verwickelt war, würde
er beim nächsten Mal mit Sicherheit einen anderen Treffpunkt wählen.
    Nein, am besten ist es, davon auszugehen, daß Howard der
unberechenbare »unschuldige« Fremdgänger ist, und dann hefte ich mich wieder an
seine Fersen.
    Walter eilte auf der Lexington wieder in Richtung Uptown und bog auf
der 21. gerade
rechtzeitig nach Osten ab, um zu sehen, wie Howard auf der
Downtown-Straßenseite zwischen Lexington und Third Avenue in einem Klinkerhaus
verschwand. Walter ging schnell auf die andere Straßenseite und trabte zu der
Stelle, von der er die Vorderseite des Klinkerbaus aus einem Winkel sehen
konnte. An der Westseite im zweiten Stock wurde gerade ein Vorhang zugezogen.
    Wegen der Ungestörtheit, dachte Walter traurig, als er wieder zur
Straßenecke zurückging.
    Dort blieb er mehr als eine Stunde stehen, trat gelegentlich von einem
Fuß auf den anderen, stampfte mit den Füßen auf und hielt die Hände in den
Manteltaschen vergraben. Einmal pro Minute oder so warf er einen ungeduldigen
Blick auf seine Armbanduhr und suchte prüfend die auf ihn zukommenden Autos
ab, als hielte er Ausschau nach jemandem, der ihn zu spät abholte.
    Er hoffte, daß Howard bei einer Frau war. Schlechte Neuigkeiten für
Mrs. Howard, aber gute für die American Electronics.
    Vielleicht aber auch nicht - wenn das Unternehmen mit einem Maulwurf
infiziert war, wäre es besser, es schnell herauszufinden.
    Walter wußte, daß für jedes Unternehmen nur wenige Dinge schlimmer
waren als die Furcht, es könnte sich ein Verräter eingenistet haben. Dieser
Gestank des Mißtrauens war ein Giftgas, das das Leben in einer Firma ersticken
konnte. Kollegen bekamen Angst, miteinander zu sprechen, Produkt-Informationen
wurden auf einen immer engeren Personenkreis beschränkt, womit der Strom
frischer Ideen abgeschnitten wurde, was wiederum neues Mißtrauen auslöste.
Immer mehr Energie des Unternehmens wurde darauf verwendet, den Maulwurf zu
enttarnen, immer weniger davon auf die wirkliche Arbeit, bis berufsmäßige
Paranoia zur Losung des Tages wurde. Danach gab es dann Dinge wie Pech oder
nachlässige Arbeit nicht mehr, ebensowenig die Tatsache, daß die Konkurrenz
einen ausgestochen hatte. Alles wurde zu Sabotage, was letztlich zu dem Ergebnis
führte, daß nur noch eine Herde ängstlich-wachsamer Individuen übrigblieb, von
einem Unternehmen jedoch keine Rede mehr sein konnte.
    Walter überlegte, daß er in einem Unternehmen keinen Maulwurf
unterbringen, sondern das Gerücht von einem Maulwurf verbreiten würde, wenn er
ihm wirklich den Garaus machen wollte. Ein Maulwurf konnte aufgespürt und
vernichtet werden, ein Gerücht blieb ewig und starb nie.
    Der Gedanke ließ ihn weiterhin in der Kälte stehen, in Sichtweite der
East 21 st Street Nummer 322, bis Michael Howard schließlich auf die Straße
trat und beim Park ein Taxi anhielt.
    Walter wartete noch weitere zwanzig Minuten, um zu sehen, ob sonst
noch jemand die Wohnung verließ. Er war fast dankbar, als niemand erschien,
denn das deutete meist darauf hin, daß sich im Haus noch eine

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