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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Geliebte in
postkoitaler Mattigkeit aufhielt. Ein russischer Führungsoffizier hätte rund
zehn Minuten gewartet, bevor er sich selbst aus dem Staub machte.
    Es bestand die Möglichkeit, daß die Wohnung ein Briefkasten war, daß
Howard die Stunde damit verbracht hatte, seine Informationen auf einer
Schreibmaschine weiterzugeben, die nicht aufzuspüren war, oder über ein
abhörsicheres Telefon.
    Eine Sekunde lang bekam Walter das Zittern. Nicht von der Kälte,
sondern beim Gedanken an die alte Zeit, bei dem Gedanken, daß die Gegenseite
für Howard vielleicht Babysitter hatte. Wenn ja, befänden sie sich noch in der
Gegend und hätten ihn längst ausgemacht.
    Er liebäugelte mit dem Gedanken, Healy bei der Einsatzzentrale
anzurufen, um ein paar Jungs anzufordern, die ihn abschirmten, wenn er ins Haus
ging. Doch es war Heiligabend, die Party im Büro war ohne Zweifel in vollem
Gang, und er wollte nicht in den Ruf kommen, ein nervöser Angsthase zu sein.
    Das hier ist New York, sagte er sich, nicht Berlin oder Wien oder auch
nur Kopenhagen. Und die Opposition ist Electric Dynamics Inc., nicht die
Sowjets oder die Tschechen oder die Ostdeutschen. Wegen der Toaster-Technologie
wird niemand umgebracht.
    Trotzdem schwitzte er unter seinem Mantel, als er auf der 2.1. Straße
zurückging und die Treppenstufen zur Hausnummer 322 hochstieg. Er öffnete die
Tür und betrat den Hausflur, der auf der ganzen Welt der schlimmste Ort sein
würde, wenn die Gegenseite ihre Leute auf der Straße hatte.
    Erst ein schneller Blick aufs Schloß. Ein verschiebbarer Riegel, keine
schützende Metallplatte.
    Dann die Briefkästen. Zweiter Stock, nur zwei Wohnungen. Merk dir die
Namen und versuche gar nicht erst, nach Schritten zu lauschen, die auf der
Treppe hinter dir herkommen.
    2 A - Rubinsky, Mr. und Mrs. Möglich,
aber nicht wahrscheinlich. Das ist kein Name, den man erfindet.
    2 B — Oder Nichtsein. H. Benson. Der erste Anfangsbuchstabe ein tödlich sicherer Hinweis auf eine
alleinlebende Frau. Aber vielleicht ist sie nicht allein. Vielleicht hat sie
Michael Howard.
    Walter trat wieder auf die Straße und ging diesmal nach Osten. Niemand
folgte ihm. Er sah auf seine Armbanduhr und entdeckte, daß es erst Viertel nach
zwei war.
    Er konnte leicht zu Bill Dietz in die Wohnung gehen und etwas Zeit mit
dessen Frau Mary verbringen, bevor Bill nach Hause kam.
    Bills Schwester öffnete die Tür.
    »Du solltest nicht herkommen«, sagte sie.
    Sie sah ebenso gut aus wie Bill. Flammend rotes Haar umrahmte ein
starkes Gesicht und müde blaue Augen.
    »Ich dachte, du könntest etwas Zeit für dich brauchen«, erwiderte
Walter. »Letzte Weihnachtsbesorgungen oder so was. Darf ich reinkommen?«
    Die Wohnung war dunkel, doch das waren die meisten Apartments in dem
massiven Tudor-City-Komplex. Die Wohnzimmervorhänge waren offen, und Walter
konnte den East River und ein Stück vom Gebäude der Vereinten Nationen sehen.
Ein kleiner künstlicher Weihnachtsbaum, wunderschön geschmückt, stand auf
einem Tisch an der Wand. Die Wohnung war überheizt und stickig.
    Ein Fernsehgerät tauchte das Zimmer in ein düsteres, flackerndes
Licht.
    »Was siehst du dir gerade an?« fragte Walter.
    »Das Fernsehgericht«, gluckste Sarah.
    »Und wie lautet dein Urteil?«
    »Ich habe nicht so aufmerksam hingeguckt.«
    »Ah, verstehe.«
    »Du mußt doch selbst noch Dinge zu erledigen haben«, sage Sarah leise.
    »Eigentlich nicht. Ich habe mich zu einer Überwachung verabschiedet,
damit ich Mary eine Zeitlang im Auge behalten kann.«
    Er konnte ihr Zögern sehen, den Kampf ihres Pflichtgefühls mit dem
Angebot von ein bißchen Freiheit. Sie focht jedesmal den gleichen Kampf mit
sich aus, wenn Walter kam.
    Er sagte: »Ich bin beleidigt, wenn du nein sagst.«
    »Ich habe tatsächlich ein paar Dinge...«
    Kein Wunder, dachte er, mit einem Ehemann und einem Kind zu Hause.
Ihre Mutter paßte auf das Kind auf, wenn Sarah Mary Dietz pflegte. Die
Domino-Theorie der Krankheit.
    »Erledige sie«, erwiderte Walter. »Geh einen Kaffee trinken. Mach
einen Spaziergang. Geh.«
    »Ist es kalt draußen?« fragte sie und gab damit zu erkennen, daß sie
sein Angebot annehmen wollte.
    »Es friert.«
    Er nahm Hut und Mantel ab und legte sie auf das Sofa, als wollte er
die Sache damit entscheiden.
    »Würdest du bitte ausgehen?« fragte er.
    Sie holte ihren Mantel - aus rotem Stoff - von der Garderobe.
    »Sie schläft«, sagte sie.
    Walter öffnete behutsam die Tür zum Schlafzimmer. Mary Dietz

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