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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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einem kreuzweise schraffierten
Griff.
    Bitte geht weg, dachte Walter. Bitte. Ich bin einfach nicht in der
Stimmung.
    Der kleine Junkie fuchtelte mit der Klinge vor Walters Gesicht herum,
als der größere um ihn herumging und sich hinter ihn stellte.
    »Gib mir deine Brieftasche, dann lasse ich dich vielleicht am Leben«,
sagte der Kleinere.
    Walter gab keine Antwort.
    Der Junkie ließ das Messer Zentimeter vor Walters Nase durch die Luft
sausen. »Hast du gehört?« Walter antwortete nicht.
    Der Junkie stieß nach Walters Kehle. Walter trat schnell zurück,
packte den Mann mit der linken Hand am Handgelenk, hob die rechte Hand über
den Kopf und ließ sie hinuntersausen. Das Handgelenk des Junkie knackte, und
das Messer fiel scheppernd zu Boden. Walter drehte sich um die eigene Achse,
packte den Mann am Haar, neigte dessen Kopf, bis der Hals sich dehnte, und hob
die Hand wie eine Axt.
    »Lauf weg, sonst bring ich ihn um«, sagte Walter.
    Der große Junkie starrte ihn an, als die Augen seines Freundes vor
Furcht und Schmerz hervorquollen. Er warf einen Blick auf das am Boden liegende
Messer.
    »Ich habe ziemlich miese Laune«, sagte Walter. »Ich wiederhole: Lauf
weg, sonst bringe ich ihn um.«
    » Du bist ein gottverdammtes Tier«, sagte der Junkie. Dann drehte er
sich um und rannte weg.
    Walter konnte hören, wie er die Treppenstufen hinauflief. Er ließ das
Haar des kleinen Mannes los, worauf dessen Kopf auf den Bahnsteig knallte. Der
Mann wand sich. Walter ging ein Stück weiter weg, konnte den Kerl aber immer
noch wimmern hören, als der Zug einlief.
    Walter stieg ein und setzte sich.
    Zu Hause goß er sich einen steifen Drink ein, duschte, hörte sich ein
wenig stillen Jazz an und ging ins Bett.
    Der Traum, den er in der Nacht hatte, ähnelte dem gewohnten. Er lag
am Rand eines Felsens über den dunklen kalten Wassern der Nordsee, während
seine Agenten sich unter ihm an einen Felsen klammerten. Und nach und nach
kamen die Wellen und spülten einen nach dem anderen hinaus. Der einzige
Unterschied war, daß in diesem Weihnachtstraum Anne auf dem Felsen erschien.
Sie verschwand als letzte.
     
    Was gibt's
Neues?
    Freitag, 26. Dezember 1958
     
    Bill Dietz stand am Trinkwasserspender und schwadronierte.
    »Ihr würdet nicht glauben«, erzählte er einer kleinen Gruppe von
Detektiven, »was für Geräusche aus dieser Wohnung kamen. Ich wußte nicht, ob
ich mich auf der Fifth Avenue befinde oder in dem verdammten Zoo der Bronx...«
    Er machte eine Pause, als eine der Sekretärinnen vorbeiging. Sie lächelte
und warf ihm einen wissenden Blick zu.
    Er fuhr mit leiserer Stimme fort: »Der Kerl macht Geräusche wie ein
Gorilla, und sie heult wie eine dieser lachenden ... wie nennt man die Viecher
—«
    »Hyänen?« schlug Walter vor.
    »Vielen Dank, Professor. Hyänen«, sagte Bill. »Ich kann euch sagen,
ich steh da draußen im Hausflur und mache mir nicht etwa Sorgen, ich könnte
etwas nicht mitbekommen, sondern nur darum, daß das Mikro versagt.«
    »Aber du hast es?« fragte Moodie anzüglich. Moodie war Sachbearbeiter
bei Betrug und Unterschlagung.
    »Ich hab's«, sagte Dietz. »Ich will euch mal was sagen, wenn ihr Alter
das hört, wird er nicht wissen, ob er sie vor Gericht oder lieber gleich ins
Schlafzimmer schleifen soll.«
    »Kann ich dich mal unter vier Augen sprechen, Bill«, fragte Walter,
als die Gruppe auseinanderzugehen begann.
    Dietz folgte Walter in dessen Büro und machte die Tür zu.
    »Was ist, Sportsfreund?« fragte Dietz.
    Walter informierte ihn über den Inhalt der Howard-Akte und erzählte
ihm, daß er Michael Howard bis zur Wohnung in der 21. Straße beschattet habe.
    »Ich würde es gern als außereheliche Affäre darstellen und dann
vergessen. Ich möchte niemandem weh tun«, sagte Walter. »Aber es besteht
natürlich immer die Möglichkeit, daß es sich um etwas anderes handelt.«
    »In neunundneunzig Fällen von hundert geht es um Sex«, sagte Dietz.
    »Ich habe ihn gestern mit seiner Frau gesehen«, fuhr Walter fort.
»Sie sahen glücklich aus.«
    »Das ist er auch«, sagte Dietz und grinste. »Teufel, sie ist es
wahrscheinlich auch. Entweder weiß sie es nicht, dann ist es scheißegal, oder
sie weiß Bescheid und ist dankbar, daß eine andere die ehelichen Pflichten für
sie übernimmt.«
    »Die ehelichen Pflichten?« fragte Walter.
    Dietz zuckte die Schultern: »Was weiß ich, vielleicht sind sie katholisch?«
    Walter seufzte und sagte: »Ich muß jetzt rein, nicht wahr?«
    Dietz

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