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Manhattan Blues

Manhattan Blues

Titel: Manhattan Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Tag.
    Martas aufgezeichnete Stimme ertönte in einem lustvollen Singsang, der
echt zu sein schien. Keneally grunzte seine männliche Begleitung dazu.
    »Wo hast
du das her?« fragte sie.
    »Um
genauer zu sein«, entgegnete er, »woher hast du es?“
    »Walter...«
    »Mach dir gar nicht erst die Mühe, dir eine Lüge auszudenken«, sagte
er. »Marta hat sie dir gegeben, und du hast sie an Alicia weitergegeben. Das
erste am Heiligabend im Thalia, das zweite irgendwann am Sonnabend. War das
übrigens bevor du Marta erzählt hast, daß du mich liebst, oder danach?“
    »Es hat nichts mit dir zu tun.“
    »Wirklich nicht?« fragte Walter. »Marta bat mich um Hilfe.“
    »Das ist zu einfach.«
    »Dieser Scheißkerl tut Freunden von mir weh.«
    »Der Ausschuß?« fragte Walter.
    »Ja, natürlich der Ausschuß.«
    »Und du dachtest, du könntest ihn erpressen?!«
    »Es war Martas Idee.«
    »Du weißt nicht, was du tust.«
    »Ich weiß genau, was ich
tue!«
    Nein, das tust du nicht, meine geliebte Lügnerin. Du weißt nicht, daß
hinter Marta jemand stand, der die Fäden zog. Jemand, der wiederum bei Keneally
die Fäden ziehen will. Jemand, der immer wieder getötet hat, um es zu
erreichen.
    Du weißt es nicht. O Gott, ich hoffe, du weißt es
nicht.
    Die Liebesgeräusche auf dem Tonband wurden lauter.
    »Bitte stell das ab«, sagte Anne.
    Martas Stimme schwoll zu einem kehligen Klagen an.
    »Ich würde sagen, wir sind gerade am Ende einer Episode, nicht wahr?«
fragte er. Dann fügte er wider besseres Wissen hinzu: »Natürlich weißt du das
besser als ich.«
    »Bitte stell das ab.«
    »Warum?« fragte Walter. »Himmel, du bist doch
nicht auf einem dieser Bänder zu hören, oder?«
    Sie setzte sich auf die Couch und nahm den Kopf zwischen die Hände. Er
beobachtete sie, als sie sich mit den Fingern durchs Haar fuhr.
    »Nein«, sagte sie leise. »Warum bist du so grausam?«
    »Warum ich so grausam
bin?« fragte er.
    Marta rief jetzt den Namen des Senators, rief ihn immer wieder und
fügte dann das einzige Wort ja hinzu,
während Walter und Anne schweigend zuhörten. Er schaltete das Gerät ab, setzte
sich neben sie auf die Couch, gab ihr ihren Drink und sagte: »Also Marta ist zu
dir gekommen...«
    »Das ist schon Wochen her«, sagte Anne. »Sie fragte mich, ob ich ihr
diesen Gefallen tun würde. Es schien mir eine einfache Sache zu sein, und ich
wußte nicht, daß du...«
    »Daß ich was?«
    »Daß du in die Sache hineingezogen werden würdest«, erwiderte sie.
»Ein schrecklicher Zufall, nicht wahr?«
    Wenn man davon absieht, daß ich an solche Zufälle nicht glaube, dachte
Walter, ob sie nun schrecklich sind oder nicht.
    Sie stellte ihr Glas ab, stand auf und nahm ihren Mantel vom
Kleiderständer.
    »Wohin gehst du?« fragte er.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß du mich noch hier haben willst. Du
arbeitest für Keneally«, sagte sie. Sie reckte das Kinn in Richtung
Tonbandgerät. »Meinen Glückwunsch. Du hast deine Arbeit getan. Die Geheimnisse
sind in Sicherheit, und der Prinz wird König werden.«
    »Glaubst du, daß diese Geschichte vorbei ist?«
    »Ich glaube, daß es mit uns vorbei
ist«, entgegnete sie. »Wir stehen einfach auf verschiedenen Seiten, Walter.«
    Sie blieb stehen und wartete darauf, daß er es abstritt.
    Er wollte es auch, doch sein Mund konnte die Wörter nicht bilden.
    »Du kannst nicht hierbleiben«, bestätigte er. »Aber nicht aus dem
Grund, den du vermutest. Nicht weil ich dich jetzt hasse, nicht weil ich für
Keneally arbeite, sondern weil sie kommen werden. Die eine Seite oder die
andere. Weil sie hinter den Bändern her sind, hinter dir, hinter mir.«
    »Nein«, bestätigte sie. Ein zynisches kleines Lächeln umspielte ihre
Mundwinkel. »Ich kann nicht hierbleiben.«
    »Und nach Hause gehen kannst du auch nicht«, fügte er hinzu.
    Nicht wenn meine Vermutung stimmt. Wenn es stimmt, werden sie dich
jeden Augenblick schnappen, ob die eine Seite oder die andere.
    »Wirklich nicht, Darling?« fragte sie. Und dann in gespieltem
Entsetzen: »Bin ich in Gefahr?“
    » Marta ist tot.«
    Es verblüffte ihn selbst zu erkennen, wie sehr er es haßte, diesen
Ausdruck von Schmerz in ihren Augen zu sehen. »Mein Gott«, sagte sie. »Wie?«
    »Der Coroner sagt Selbstmord«, erwiderte er. »Durch die banale, aber
tatsächliche Kombination von Schnaps und Pillen.«
    »Sie haben sie getötet«, sagte Anne. »Wer?«
    »Die Keneallys.“
    »Warum sagst du das?«
    »Du machst die Drecksarbeit«, sagte sie.

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