Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
mich?«
»Shelby erledigt seine Angelegenheiten lieber still und diskret. Sein Investmentfonds bedient blaues Blut und altes Geld, die Art Leute, die einen Skandal überhaupt nicht schätzen.«
»Wie viel Geld?«
»Die Hälfte von dem, was bei der Reyes-Sache rausgesprungen ist.«
Ich machte mir keine Sorgen. Ich war überzeugt, dass Breland mir die Wahrheit sagte und es sich bei dem Fall, soweit er wusste, um einen Routinejob handelte. Aber ich wollte ihn noch ein bisschen zappeln lassen. Die Vertuschungsaktion für Velvet piekste mich nach wie vor.
»Es wäre ein großer Gefallen für mich und ein fetter Zahltag für dich, Leonid.«
»Bloß ein College-Kid, das auf dem Weg zum Klo falsch abgebogen ist, ja?«
»Das ist alles.«
»Ich sag dir was, Breland. Ich rede mit diesen Leuten und guck mir an, ob es so simpel ist, wie du sagst.«
»Danke.«
»Aber dafür musst du auch etwas für mich tun.«
»Was denn?«
»Hast du noch diese alte Freundin, die Assistentin des Direktors der städtischen Archive?«
»Jeanette? Ich treff mich nicht mehr mit ihr, nicht, seit Madeline und ich unser Eheversprechen erneuert haben.«
»Aber du hast noch ihre Telefonnummer?«
»Was brauchst du?«
»Ich möchte den Namen und die Adresse der Familie, die Zella Grishams Baby adoptiert hat.«
»Ich weiß nicht …«
»Willst du, dass ich mit diesen Freunden von dir rede oder nicht?«
»Das kostet aber.«
»Ich bezahl es.«
»Ich hatte dich um einen Gefallen gebeten, Leonid.«
»Ich hab dir schon einen Gefallen getan, als ich das letzte Mal mit diesen Leuten zu tun hatte.«
»Dafür bist du bezahlt worden.«
»Nicht gut genug, um zwanzig Jahre Knast zu riskieren.«
15
Twill saß zwei Schreibtische von meiner Bürotür entfernt in dem langen, zu beiden Seiten von sechzehn Schreibtischen gesäumten Gang. Ich war quasi legal an meine Bürosuite gekommen, als der ehemalige Verwalter des Gebäudes ein Problem hatte, das nur ein Typ wie ich in Ordnung bringen konnte. Es bedurfte eines falschen Kontos und gefälschter Dokumente. Die neuen Besitzer engagierten Aura Ullman, um mich zu vertreiben, doch stattdessen verliebten wir uns.
Aura und ich hatten unsere Liaison abgebrochen; zunächst weil Katrina zu mir zurückgekommen war, nachdem sie mich für den österreichisch-argentinischen Banker Andre Zool verlassen hatte, dann, weil Aura begriff, dass ich eines Tages eines gewaltsamen Todes sterben würde, und sie nicht glaubte, einen solchen Schlag verkraften zu können.
Twill arbeitete mit einem Bleistift Härte zwei an einer Skizze. Jahrelang hatte ich meine beiden Söhne kleine Zeichnungen machen sehen, ohne ihnen viel Beachtung zu schenken. Vermutlich weil ich mir über beide aus unterschiedlichen Gründen so viele Sorgen gemacht habe, dass für schlichten Stolz nicht viel Raum blieb.
Die Zeichnung, an der er arbeitete, war eine hinreißende Zweipunktperspektivenskizze des Flures vor ihm, nicht eckig oder künstlich, sondern eine filigrane Darstellung fließenden Raums – konkret und zugleich schwebend wie Nebel.
»Hey, Junge.«
»Was gibt’s, Pops?« Er hatte Kopfhörer auf und hörte sich garantiert die Bänder meiner langweiligen Beschattungen an. Er schaltete den Kassettenrekorder ab und blickte von der Zeichnung auf.
»Ich hab vielleicht einen Fall, bei dem du mir helfen könntest, Sohn.«
»Was denn?«
Ich berichtete ihm von der Familie mit dem Sohn, der vom rechten Weg abgekommen war, ohne Velvet und den ermordeten Freier zu erwähnen.
Nachdem er mich angehört hatte, meinte Twill: »Cool. Ich zieh mir nur eben ein anderes Hemd an.«
»Ich treff dich am Empfang.«
Mardi arbeitete an zwei Monitoren und einem Scanner, las Dokumente ein und verschob sie von einem System auf das andere.
»Wie geht’s, M?«
»Dimitri hat angerufen, als Sie telefoniert haben. Er und Tatyana wollen Sie zu einem Einweihungsdinner einladen.«
»Okay. Sonst noch was?«
»Soll ich einen Arzttermin für Sie vereinbaren?«
»Wozu?«
»Ihr Fieber.«
»Ich werd’s überleben.«
Sie runzelte die Stirn, doch ich schaffte es, ihren sanft strafenden Blick zu ignorieren.
»Sonst noch was?«, fragte ich.
»Ich möchte hier im Büro einen Trinkwasserbehälteraufstellen«, sagte sie. »Ich hab einen Artikel über Trinkwasser in Amerika gelesen, wissen Sie, und …«
»Gut«, sagte ich. »Den hab ich auch gelesen.«
Twill kam in den Empfangsbereich. Er hatte das schwarze Seiden-T-Shirt gegen ein rosafarbenes, bis zum Kragen
Weitere Kostenlose Bücher