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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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geknöpftes Hemd getauscht. Ich musste zugeben, dass er darin sehr viel professioneller aussah – und weniger bedrohlich.
    »Wohin geht ihr?«
    »Pops lässt mich vielleicht an einem Fall arbeiten«, sagte Twill zu Mardi, die auch seine beste Freundin war.
    »Super.«
    »Das werden wir sehen«, erklärte ich ihnen.
    Die Mycrofts wohnten in einem Rokoko-Ungetüm, das so weit jenseits der East 80 th Street lag, dass man von dort den East River überblickte. Vor der offenen Doppeltür wachte ein Türsteher, am Ende der breiten, in grünem und weißem Marmor gehaltenen Halle konnte man einen Empfangssekretär ausmachen. Der Türsteher war groß und braun gebrannt, wahrscheinlich überwiegend weiß, mit breiten Schultern und einem anzüglichen Grinsen.
    »Ja?«, fragte er mich.
    »Leonid McGill für Shelby Mycroft.«
    »Und?«, fragte er und wies mit dem Kopf auf Twill.
    »Mein Partner.«
    »Werden Sie erwartet?«
    »Ja.«
    »Sind Sie sicher?«
    Die Frage schien keiner Antwort zu bedürfen, alsogab ich auch keine. Der Türsteher bewegte die Lippen ein wenig und wartete, erwartete vielleicht sogar eine Antwort auf seine Nicht-Frage. Als schließlich deutlich wurde, dass unsere Unterhaltung beendet war, sagte er im Tonfall eines Vorarbeiters, der zu seinen Untergebenen spricht: »Warten Sie hier.«
    Als er wegging, warf ich einen Seitenblick zu meinem Sohn. Er wirkte unbeeindruckt. Ich hatte nichts anderes erwartet.
    Nach einer Unterredung mittels elektronischer Kommunikationsmittel kam der Portier zurück durch die breite Halle geschlendert. Er wartete einen Moment, bevor er sich an uns wandte.
    »Mr. Mycroft erwartet Sie«, sagte er zu mir, »aber sonst niemanden.«
    »Wenn Sie wollen«, erwiderte ich höflich, »können Sie wieder zurücklaufen und ihn noch einmal anrufen. Sagen Sie, wir sind hier unten zu zweit und kommen entweder beide hoch oder gar nicht.«
    »Wie heißt er?«
    »Sie können mich mal.«
    Seine Lippen erstarrten, und ich bedauerte es, vor Twill die Beherrschung verloren zu haben. Aber manchmal wurde ich einfach wütend auf Leute, die ihr Lebensversagen an Menschen auslassen, die kleiner sind als sie.
    »Ich muss Sie nicht reinlassen«, erklärte der Türsteher.
    »Doch, müssen Sie. Ich weiß es, und Sie wissen es auch. Also hopp, hopp, tun Sie, was immer Sie tun müssen, damit wir uns um unsere Geschäftsangelegenheiten kümmern können.«
    »Sie sollten ein wenig respektvoller auftreten«, sagte der Türsteher.
    »Ich geb nur zurück, was ich kriege, Bruder.«
    Er zögerte kurz, bevor er wieder zum Empfangssekretär ging. Sie kauerten zusammen und riefen noch einmal an, bevor meine temporäre Nemesis zurückkam.
    »Gehen Sie bis ans Ende der Halle und nehmen Sie den letzten Aufzug auf der linken Seite«, sagte er zu mir. »Sechzehnter Stock.«
    Als ich an ihm vorbeiging, fügte er hinzu: »Ich würde Sie gerne irgendwann mal auf der Straße treffen.«
    Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Die unerwartete Bewegung verunsicherte ihn, anscheinend wusste er nicht, wohin mit den Händen.
    »Darauf freue ich mich schon sehr«, erklärte ich ihm.
    In großen, entlang der Wände aufgestellten Keramiktöpfen wuchsen Farne. Auf sechs großen Tischen in der Mitte des extrabreiten Gangs wucherten dschungelartige Blumenarrangements. Durch mehrere Fenster fiel Sonnenlicht in den Raum und erfüllte ihn mit der Atmosphäre einer natürlichen Landschaft.
    Als Twill und ich die Mahagonitür des Fahrstuhls erreicht hatten, drückte er auf den Knopf.
    »Tut mir leid, wie ich mit ihm geredet habe, Twill.«
    »Das ist schon in Ordnung, Pop. Wir wissen alle, dass du leicht reizbar bist.«
    »Ich versuche, mich zu beherrschen.«
    »Ich weiß.«

16

    Die Ausstattung des Lifts war zurückgenommen, beinahe schlicht. Die Wände waren aus schmucklosem Kirschholz, als Lampen dienten nackte Birnen hinter Spiegelglas-Schirmen in den oberen vier Ecken.
    »Sechzehn«, erklärte ich meinem Sohn.
    Er drückte auf den Knopf, und ich faltete meine Hände hinter dem Rücken. Das Fieber war zurückgekehrt, und wieder hatte ich das Aspirin auf meinem Schreibtisch liegen lassen.
    »Brauchst du das?«, fragte Twill und hielt mir mit der linken Hand ein kleines Bayer-Röhrchen hin.
    »Woher wusstest du das?«
    »Gar nicht. Mardi hat es mir gegeben. Sie meinte, du würdest deine ständig vergessen.«
    Ich schluckte die Tabletten trocken, bevor wir den sechzehnten Stock erreichten. Wir traten aus dem Lift in einen reizenden Raum mit

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