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Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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ein Leben, das wild entschlossen auf die Selbstzerstörung zusteuerte. Das eine oder das andere hätte Aura verkraften können, doch beides zusammen war einfach zu viel für sie.
    Ich versuchte, ihre Botschaft zu entschlüsseln, doch das überstieg meine Fähigkeiten, also schluckte ich nochzwei Aspirin, lehnte mich zurück und zählte meine Atemzüge, bis ich bei zehn war, worauf ich wieder von vorne begann.
    »Mister?«, sagte der kleine braunhäutige Taxifahrer.
    Ich war auf der Rückbank des Taxis fest eingeschlafen, ein animalisches Nickerchen – traumlos und tief.
    Das gesamte Erdgeschoss des sich über den kompletten Block erstreckenden Bürogebäudes wurde vom Sicherheitsapparat der Rutgers Assurance eingenommen. Als Erstes stieß man auf einen Tresen, an dem man sein Gebot für den Einlass abgab.
    Ich bat darum, Antoinette Lowry zu sprechen. Gefragt nach dem Zweck meines Anliegens erwähnte ich, dass ich eine Frau namens Zella Grisham vertrat. Dieser Antrag im Verbund mit einem staatlich ausgestellten Ausweis löste die Sperre der Schranke. Ich ging hindurch und einen blassgrünen Flur ohne Türen oder Verzierungen entlang. Ich vermutete versteckte Kameras, die im Verbund mit Computersoft- und menschlicher Wetware die Besucher nach Hinweisen auf ihre Motive abtasteten.
    Als ich den nächsten mit dunkelrotem Teppich ausgelegten und mit Mahagoni möblierten Raum betrat, hatte die Empfangssekretärin einen Besucherausweis mit meinem Namen und meinem Foto vorbereitet. Sie war jung, möglicherweise Koreanerin, und sie lächelte.
    »Gehen Sie diesen Flur entlang«, sagte sie und wies die Richtung für den Fall, dass ich taub war oder kein Englisch verstand, »und nehmen Sie den zweiten Aufzug auf der rechten Seite.«
    Der orangefarbene Flur war ebenfalls geräumig und weitete sich an den Fahrstuhltüren. Als ich mein Ziel erreichte, erkannte ich, dass es keinen Knopf zum Drücken gab. So viele Sicherheitsvorkehrungen, und trotzdem hatte man sie um achtundfünfzig Millionen Dollar gebracht. Ich fragte mich, ob ein Mitglied der Security-Truppe mein Lächeln bemerkte.
    Bis zu dem Vorzimmer mit der recht betagten Empfangssekretärin und einem braunen Sofa gab es drei weitere Hürden zu nehmen. Selbstverständlich überwand ich sie alle – wie ein flugunfähiges Insekt, das sich ins Innere einer fleischfressenden Pflanze begab.
    In diesem offenbar privaten Wartezimmer gab es keine Zeitschriften oder sonstige Möglichkeiten zur Zerstreuung, keine Uhr und keine Monitore, Wandkalender oder gerahmte Fotos von der Familie der grauhaarigen Wächterin. Die Empfangssekretärin selbst war weiß und faltig. Sie trug eine Brille und hatte seit Jahren nicht mehr gelächelt. Hinter ihrem Schreibtisch befand sich eine braune Tür nicht ganz in der Mitte einer nackten weißen Wand.
    Ich saß etwa drei Minuten da, bevor ich mein Handy herausholte, was die Aufmerksamkeit meiner Wächterin weckte. Ich hatte keine neuen Nachrichten. Ich überlegte eine Weile, Aura anzurufen, und entschied schließlich, dass dies nicht die richtige Umgebung war, um über verlorene Liebe zu sprechen. Aber da ich das Telefon schon in der Hand hatte, beschloss ich, meine Tochter anzurufen – warum nicht? Ich gab die Nummer ein.
    »In diesem Gebäude ist die Benutzung von Mobiltelefonen untersagt«, sagte der namenlose Vorposten.
    Ich nickte lächelnd und hielt das Handy ans Ohr.
    »Hi, Dad«, sagte Shelly nach dem dritten Klingeln. Sie klang ein bisschen außer Atem.
    »Hallo, Püppchen.«
    »Wie geht’s dir?«
    »Ich hab mir Sorgen gemacht, weil du gestern Abend nicht nach Hause gekommen bist.«
    »Ich hab bei Gillian übernachtet. Wir hatten so eine Art Pyjama-Party mit fünf Mädchen.«
    »Und, war es nett?«
    »Ja. Wolltest du mich wegen irgendwas Bestimmtem sprechen?«
    »Tut mir leid wegen deiner Mutter. Sie macht eine schwere Zeit durch.«
    »Ich weiß.«
    In diesem Moment räusperte sich jemand. Ich blickte auf und sah einen kleinen Mann in einem grauen Anzug und einer dunkelroten Krawatte, keine Seide. Er war schmächtig und hatte einen Schnurrbart, der einmal schwarz gewesen, mittlerweile jedoch grau gesprenkelt war. Die Invasion weißer Haare war eine subtile Warnung an den Schopf auf seinem Kopf.
    »Mr. McGill«, sagte er.
    Ich hob einen Finger und sagte: »Aber du musst dir ihretwegen keine Sorgen machen, Baby. Ich sorg dafür, dass es ihr gut geht.«
    »Ich weiß, Dad.«
    »Sprechen wir uns später?«
    »Okay. Tschüss.«
    Ich klappte das

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