Manhattan Fever: Ein Leonid-McGill-Roman (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
gestanden. Es hatte kurze Ruhepausen gegeben – meistens wenn ihre Versuche, ein besseres Leben zu finden, gescheitert waren und sie erkannte, dass ich der Einzige war, der übrig blieb, um die Scherben aufzusammeln. Das war kein Problem, weil ich selbst weder treu noch eifersüchtig war und alle drei Kinder liebte, auch wenn nur eines von mir war.
Katrina und ich hassten uns nicht. Es war nur so, dass unser Zusammenspiel keine Liebe mehr hervorbrachte, und Liebe war etwas, das wir beide brauchten. Deshalb kündete dieser Kuss von Katrinas Freundin und Ärztin von einer neuen Ära zwischen der Welt meiner Frau und meiner eigenen. Doch das war kein Waffenstillstand, den ich erstrebt hatte. Ganz und gar nicht.
Ich überquerte die 14 th Street, blickte auf mein Handy und sah eine Mail des rundum erneuerten Bug. Seldon Arvinil war dreiundfünfzig, Professor der Politikwissenschaft am City College, verheiratet, drei Kinder, das jüngste neun und das älteste neunzehn. Seine Frau hieß Doris Borman-Arvinil. Sie lebten neuneinhalb Blocks von meiner Wohnung entfernt.
Auf meinem Spaziergang zum Tesla Building machte ich einen kleinen Schlenker nach Osten, weil Claudia Burns in der East 22 nd Street wohnte. Wie sich herausstellte, war es ein Paketversand, der auch private Postfächer vermietete.
Ich musste lächeln über diese falsche Fährte, gelegt für einen Typen wie mich. Und mit dem Grinsen merkte ich, dass das Fieber verschwunden war, zumindest vorübergehend. Ich vermisste die subtile Neuverkabelung meines Denkapparats. In gewisser Weise hatte es sich angefühlt, als wäre ich unter dem Einfluss der Symptome meiner Infektion schlauer.
Auf dem Weg zurück auf die West Side probierte ich, die Probleme, denen ich mich gegenübersah, mittels einer profaneren Logik zu begreifen. Claudia stand in Verbindung zu der Mutter der Frau, die mit dem Mann geschlafen hatte, auf den Zella geschossen hatte, jene Frau, der ich mittels gefälschter Beweise den Raubüberfall angehängt hatte.
Von allen Klienten, die ich je gehabt hatte, war Zella die Einzige, von der ich sicher wusste, dass sie das Verbrechen, dessen sie angeklagt worden war, nicht begangen hatte. Wenn das stimmte, wie konnten dann ihr Freund und dessen Zweitfreundin in die Tat verwickelt sein? Mir fiel keine Antwort darauf ein.
Ich erreichte die Tür zu meinem Büro im einundsiebzigsten Stock ohne eine brauchbare Lösung für meinProblem. Ich wollte gerade auf den Klingelknopf drücken, als sie mich rief.
»Leonid.«
Aura kam aus dem Flur zur Rechten, bestimmt aus dem Lastenaufzug. Wahrscheinlich hatte Warren Oh, der Mann am Empfang, den Auftrag gehabt, sie anzurufen, sobald ich eintraf. Sie hatte den Lastenaufzug genommen und es gerade rechtzeitig bis auf mein Stockwerk geschafft. Für irgendwas waren meine detektivischen Fähigkeiten also doch noch gut.
»Hey, Süße«, sagte ich.
Ich weiß nicht, ob irgendjemand außer mir Aura schön fand. Auf jeden Fall sah sie nach jedem denkbaren Maßstab gut aus – allerdings ungewöhnlich aufgrund ihrer nordisch-togolesischen Herkunft. Ihre Haut hatte die Farbe brünierten Goldes, und ihr Haar war so hellbraun, dass man es für blond halten konnte. Ihre Augen … ich kannte immer noch keine Farbe, um sie zu bestimmen, jedenfalls waren sie nicht braun, blau oder grün – es lag ein Anteil von Ocker darin und ein wenig Grau, doch das war längst nicht alles. Aura war größer als ich und kräftig gebaut, aber nicht schwer.
Einen Schritt von mir entfernt blieb sie stehen. Sie sah mir in die Augen und entdeckte irgendetwas. Sie stutzte kurz und lächelte dann.
»Waren die Frauen hinter dir her?«, fragte sie.
»Sie regnen vom Himmel.«
Sie lachte leise und strich mir über das linke Handgelenk. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass ich nach wie vor hoffnungslos verliebt in sie war, hätte mich diese Berührung daran erinnert. Sie ging tief, tiefer als das Fieber gereicht hatte.
»Ich muss los«, sagte sie.
Ich atmete tief ein und nickte. Als sie sich abwandte, widerstand ich dem Drang, ihr zu folgen. Nachdem sie gegangen war, blieb ich volle drei Minuten im Flur stehen.
Was die Subtilität betraf, mit der sie ihre Amüsiertheit kund tat, konnte Mardi normalerweise der Mona Lisa das Wasser reichen, jedoch nicht an jenem Tag. Kaum hatte sie mich gesehen, breitete sich ein Lächeln über ihr Gesicht, ein regelrechtes Grinsen.
»Worüber bist du so glücklich?«, fragte ich.
»Über viele Dinge.«
»Zum
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