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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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junge Frauen in extrem kurzen und durchsichtigen Partykleidern redeten mit dem mürrischen, grauhaarigen Mann am Empfangstresen. Hinter ihnen betraten zwei ältere Frauen die Lobby; die eine trug eine Fuchsstola, im Juni, die andere ein rotes Kleid von Chanel, das so viel gekostet hatte wie die Miete für mein Büro bis Weihnachten. Die beiden waren sichtlich irritiert über die spezielle Manifestation von Jugend vor ihren Augen.
    Der Mann an der Rezeption hatte die beiden älteren Damen sehr wohl wahrgenommen; wahrscheinlich kannte er sie mit Namen.
    »Sind Sie sicher?«, fragte die junge Brünette den skeptischen Nachtportier. »Haben Sie unter Charles, ähm, Smith nachgesehen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf und zwang sich zu einem Lächeln, das aus einem Winkel seines Inneren kam, der nie Licht oder Leichtigkeit gesehen hatte.
    »Nein, Frankie«, sagte die Blonde. »Smythe. Chandler Smythe. Er hat die Coolidge Suite.«
    Sie sah den Mann nicht an. Ihr Bezugspartner war die Brünette mit dem schlechten Gedächtnis.
    »Stimmt, Tru.«
    »Das ist unglaublich«, empörte sich die Frau mit dem toten Tier um den Hals.
    Der Nachtportier war bereits am Telefon und sprach mit dem reichen Mr. Smythe. Den Hörer noch am Ohr verzog er die Lippen zu einem gequälten Lächeln und sagte zu den Mädchen: »Sie können direkt hoch fahren. Elfter Stock.«
    In diesem Moment ertönte ein leises Läuten, und die Fahrstuhltür ging auf. Ich betrat, gefolgt von einem leicht abgelenkten Ambrose Thurman, die Kabine. Die Tür schloss sich bereits wieder, als eins der Kinder – ich glaube, es war Tru – rief: »Halten Sie den Lift auf!«
    Ich hörte ihren Ruf, doch er rührte mich nicht. Ich war geschäftlich hier. Und wenn ich einen Job erledigte, mied ich nach Möglichkeit jede Ablenkung. Ambrose jedoch fuhr blitzschnell den Arm aus, und ein bisher nicht gesehenes Lächeln, genau genommen ein Grinsen, gab seinem birnenförmigen Gesicht eine vollkommen neue Gestalt.
    »Die Damen«, sagte er, als Tru und Frankie zu uns in den Fahrstuhl traten.
    »Elfte Etage bitte«, erwiderte Tru überraschend geschäftsmäßig.
    Die elegante Kabine war mit hummerrosafarbenem Samt ausgekleidet, von der Decke hing ein echter Kronleuchter, und die vergoldeten Beschläge glänzten. Die Technik stammte leider offensichtlich aus derselben Ära. Während die Kabine langsam aufwärts ruckelte, breitete sich der nicht allzu subtile Parfümduft der Mädchen in dem engen Raum aus.
    »Sie sind Boxer, oder?«, sagte die braunhaarige Frankie irgendwo um den dritten Stock zu mir.
    »Ach was.«
    »Das sehe ich an Ihren Händen, an den großen Fingerknöcheln und den Narben.« Sie hatte topasbraune Augen und schielte heftig.
    »Die könnte ich mir auch bei Kneipenschlägereien geholt haben«, spekulierte ich.
    »Hm-hm«, tat Frankie meinen Einwand ab, wie es nur eine Frau konnte, die sich für schön hielt. »Sie haben kräftige Hände und die Schultern eines Boxers. Das hab ich gleich erkannt, allein daran, wie Sie dastehen, so locker.«
    Mit diesen wenigen Worten hatte die Kleine schon mal die Hälfte meiner instinktiven Abwehr überwunden. Mit träger Eindringlichkeit hatte sie mich als den benannt, der ich war.
    »Ich hatte mal was mit einem Boxer«, fuhr sie fort. »Er war vier Monate Mittelgewichtschampion – vor zwölf oder dreizehn Jahren.«
    »Wie heißen Sie?«, fragte Ambrose Tru.
    Sie antwortete nicht. Sie war zu beschäftigt damit zuzusehen, wie ihre Freundin mich sezierte.
    »Er war der netteste Freund, den ich je hatte«, sagte Frankie. »Er war echt stark, aber sanft wie ein Mädchen.«
    Die Mechanik des Lifts summte leise. Ich zog meine Brieftasche heraus und gab dem Mädchen meine Karte, meine richtige Karte mit der Nummer eines Handys, das ich tatsächlich gelegentlich beantwortete.
    »Bitte sehr, Frankie«, sprach ich sie mit ihrem Namen an, nur um zu zeigen, dass auch ich aufgepasst hatte. Sie nahm die Karte und öffnete ihre winzige Handtasche, die offenbar aus einer einzigen Muschel gemacht war.Nachdem sie meine Karte hineingelegt hatte, zog sie eine pinkfarbene heraus.
    »O mein Gott«, flüsterte Tru.
    Ich nahm die Karte und las den rot auf rosafarbenem Karton gedruckten Namen – Frankee Tayer. Darunter stand eine handgeschriebene Telefonnummer. Die persönliche Note.
    Die Fahrstuhltür öffnete sich im achten Stock, und wir ließen Tru und Frankie ihre Reise zur Coolidge Suite allein fortsetzen. Mein Herzschlag war beschleunigt, und ich

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