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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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einer Plastikfessel auf den Rücken gebunden. Insgesamt elf Polizisten hielten sich in dem vier Mal viereinhalb Meter großen Raum auf, dessen Boden zum großen Teil von dem stärksten Mann belegt wurde, gegen den ich je gekämpft hatte.
    »Der Typ hier lebt«, sagte einer der Jungs in Blau.
    Er lebte? Der Schlag, der ihn getroffen hatte, hätte einen echten Bären töten können.
    Es gibt eine kleine Truppe von Polizisten, die speziell für das Tesla Building zuständig ist. Bei so vielen Firmen – und potentiellen Verbrechen – waren immer ein paar Bullen in der Gegend. Jeder Einzelne von ihnen hatte sich meinen Namen und meine Daten eingeprägt. Für das NYPD war ich eine Person von Interesse. Daran würde auch noch so viel Buße nichts ändern.
    Ranghöchster Polizist vor Ort war Sergeant Kenneth Holloway. Er hatte mir mehr als einmal und immer mitden exakt gleichen Worten erklärt: »Ich sorge dafür, dass Sie für vierzig Jahre eingesperrt werden, McGill.«
    Das sagte er auch jetzt wieder zu mir, als ich vor ihm auf den Knien hockte, aber ich war so ausgepumpt, dass es mir egal war.
    »Warum haben Sie ihn angegriffen?«, fragte Holloway. Ich blickte auf und sah, wie sich der dünne, kleine Breland Lewis zwischen Polizisten hindurch drängelte, die doppelt so groß waren wie er.
    »Aus dem Weg«, piepste er wie ein wütendes Hühnchen. »Mr. McGill ist mein Mandant, und ich habe jedes Recht, ihn zu sprechen. Alles in Ordnung, Leonid?«
    »Wir halten Ihren Mandanten wegen versuchten Mordes fest, Herr Anwalt«, sagte Holloway mit einem hässlichen Grinsen.
    Als ich die beiden so vor mir sah, kam ich zwangsläufig ins Grübeln über die amerikanische Idee einer weißen Rasse. Holloway war groß und bullig mit rosafarbener Haut und kleinen Schweineäuglein und -öhrchen. Lewis dagegen war ein Fliegengewicht mit feinen Gesichtszügen wie aus dem Elfenbein eines frisch erlegten Elefanten geschnitten. Und der Mann auf dem Boden hatte bräunlich weiße Haut. Auch er galt nach amerikanischen Maßstäben als Weißer, während die drei im antiken Europa wahrscheinlich komplett verschiedenen Rassen zugeschrieben worden wären.
    Ich merkte, dass meine Gedanken immer noch abschweiften. Vielleicht sollte ich doch irgendwann demnächst einen Arzt aufsuchen.
    »Dieser Mann hat sich gewaltsam Zutritt zu Leonids Büro verschafft und ihn angegriffen«, brüllte Breland.
    »Und warum liegt dann nicht LT tot auf dem Boden?«, brüllte Holloway zurück.
    »Lassen Sie meinen Mandanten gehen!«
    »Nach Attica, für vierzig Jahre!«
    Ich fragte mich, welche Bedeutung die Zahl vierzig in der Rechtsauslegung des Polizisten hatte.
    In diesem Moment platzten noch vier weiß und blau gekleidete Notärzte und Notfallsanitäter herein, zwei Männer und zwei Frauen. Damit waren achtzehn Personen im Vorzimmer meines Büros versammelt und drängten sich bis hinaus auf den Flur wie bei einer Party.
    »Wie lautet die Zahlenkombination für Ihr Privatbüro?«, fragte Holloway, nachdem er sich kurz mit dem Chef des Fleischtransporters beraten hatte.
    »Das ist ein Geheimnis«, antwortete ich.
    Ich hoffte, Holloway würde mir eine scheuern. Nicht, damit ich mich hinterher über den polizeilichen Übergriff beschweren konnte, sondern um mich wachzurütteln aus der Benommenheit, in die meine Erschöpfung und die bezogenen Prügel mich gestürzt hatten.
    Die Notfallcrew hievte Big Boy auf eine hydraulische Rollliege, die bis auf Bodenhöhe heruntergefahren worden war. Er sah nicht gut aus. An seiner linken Stirn klaffte eine tiefe Wunde, und seine gebräunte Haut tendierte ins Bläuliche. Aber er atmete, und selbst mein Vater, der Ideologe, würde zugeben müssen, dass Atmen die einzig wahre Definition von Leben ist.
    Holloway und Lewis diskutierten: die Bulldogge und das Küken. Ich kriegte immer noch schwer Luft, gleichzeitig versuchte ich, mir etwas einfallen zu lassen, das in der Situation irgendeinen Sinn ergab.
    »Was ist hier los?«, wollte in diesem Moment eine vertraute Stimme wissen.
    Alle verstummten, als Carson Kitteridge eintrat und das Meer aus Blau und Weiß teilte.
    »Ihr Junge hat versucht, diesen Mann umzubringen«, sagte Holloway triumphierend.
    Big Boy wurde auf der Liege aus dem Zimmer gerollt. Kitteridge warf einen Blick auf ihn und wandte sich wieder dem fetten Sergeant zu.
    »Was hat er gesagt?«, fragte er und wies mit dem Kopf in meine Richtung.
    »Wen interessiert’s, was er gesagt hat? Es ist doch offensichtlich, was

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