Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman
ist okay.«
Lonnie verkörperte diesen reizenden, leicht unpassenden Widerspruch von schlanken Beinen und großen Brüsten. Sie stand auf und gab mir die Hand, wie es ihre Mutter ihr beigebracht hatte, als sie fünf war.
»Freut mich, Sie kennenzulernen, Mr. McGill. Ihr Sohn ist toll.«
»Sagen Sie Breland, er soll mich anrufen«, sagte ich. »Wenn es bloß eine Kleinigkeit ist, übernehme ich das Honorar.«
»Danke, Sir«, sagte sie. »Mein Freund ist wirklich kein schlechter Mensch.«
Bevor wir gingen, küsste Lonnie meinen Sohn auf die Wange und flüsterte ihm etwas zu.
»Was hat sie gesagt?«, fragte ich Twill. Wir gingen die Rampe zu der Parkgarage hinunter, in der er meinen klassischen Schlitten geparkt hatte.
»Sie möchte, dass ich sie anrufe. Sie sagt, Juman wäre bald weg vom Fenster, und sie würde mich gern auf einen Kaffee oder irgendwas einladen.«
Ich sah ihn skeptisch an.
»Keine Sorge, Pops. Sie war bloß dankbar, dass ihr da drin jemand geholfen hat.«
Er sagte nicht, ob er sie anrufen würde oder nicht.
Auf der Fahrt nach Hause fragte mich Twill nach der Vernehmung. Ich erzählte ihm, was vorgefallen war, und versuchte dann, tiefer in ihn vorzudringen.
»Das heißt, du hast ihr nicht erzählt, ob du eine feste Freundin hast«, spekulierte ich.
»Keine Sorge, Dad. Lonnie ist nicht mein Typ.«
»Ihretwegen mache ich mir auch keine Sorgen. Ich wollte nur wissen, ob du was Festes am Laufen hast.«
Er lachte. Ich glaube, er war wenigstens ein bisschen verlegen.
»Was ist so komisch?«, fragte ich ihn.
»Da versucht ein Mann, den du niemals vorher getroffen hast, dich totzuschlagen, und du fragst mich, ob ich eine Freundin habe oder nicht?«
»Nach einer Nahtoderfahrung konzentriert man sicheben gern auf die Kleinigkeiten des Lebens. Ist es so schwer, eine einfache Frage zu beantworten?«
»Ich bin nicht schwul, wenn es das ist, was du wissen willst.«
»Weißt du was, mein Sohn? Du bist besser als ich eben in diesem Vernehmungsraum.«
»Wie meinst du das?«
»Irgendwas ist doch, Twill. Ich möchte, dass du mir vertraust.«
»Ich vertrau dir doch.«
»Dann rede mit mir.«
»Mir geht es gut, Dad. Meinetwegen musst du dir keine Sorgen machen.«
Die meisten Eltern von Teenagern kennen dieses Geplänkel. Da war ich, ein hingebungsvoller Angler, und er war eine lebhafte Forelle, die mir in einem eiskalten Bach durch die Finger flutschte.
Der Unterschied zwischen Twill und anderen jungen Männern bestand darin, dass er einen Mord in New York City plante und darüber nicht besorgter wirkte als ein halbwüchsiges Mädchen, das sich zwischen zwei Küssen den Lippenstift nachzieht.
»Sag mal, Pop.«
»Was denn, mein Sohn?«
»Warum haben sie dich laufen lassen? Ich meine, Mr. Lewis hat vermutet, sie würden dich die ganze Nacht dort behalten.«
»Ich glaube, sie sind einfach müde geworden«, sagte ich. Und gähnte.
25
»O mein Gott. O mein Gott«, rief Katrina immer wieder und tupfte meinen Kopf mit einem feuchten Handtuch ab. »Wie furchtbar. Warum sollte dich jemand so schlagen? Wie kann ein Mensch so etwas tun?«
Es ist ein deprimierendes Gefühl, wenn man eine Berührung nicht leiden, sie aber auch nicht zurückweisen kann. Zwischen mir und Katrina gab es seit mindestens zwölf Jahren keine Liebe mehr, und auch davor war Leidenschaft bestenfalls sporadisch im Spiel gewesen.
Trotzdem hätte ich vor einem Gericht oder in der Praxis eines Paartherapeuten unmöglich meine Überzeugung erklären können, dass jede ihrer Gesten und jede Bemerkung, die über ihre Lippen kam, berechnet war. Katrina hatte sich zum Abbild einer liebevollen Ehefrau stilisiert, weil nach dem Versuch, mich zu verlassen, der Boden unter ihren Füßen eingebrochen war.
Manchmal fragte ich mich, wie mein Leben in dieser traurigen Konstellation hatte enden können. Wie konnte ich den Kindern anderer Männer ein Vater und Lebenspartner einer Frau sein, die glaubte, dass aus der Verbindung von Reichtum und Schönheit irgendwie Liebe entstand?
Ich kam mir vor wie ein Mann, der sich mit einer Schaufel in der Hand in einem frisch ausgehobenen Grab wiederfindet, ohne sich zu erinnern, es gegraben zu haben. Ich blieb dort, weil man, ganz unten angekommen, zumindest nicht noch tiefer fallen konnte.
»Leonid?«, sagte Katrina in einem Ton, der mich vermuten ließ, dass sie mich schon mehr als einmal gerufen hatte.
»Ja?«
»Bis du versichert?«
Hin und wieder konnte sogar meine Frau etwas sagen, das mich zum
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