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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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passiert ist. Er wollte gerade fliehen, als wir ihn erwischt haben. Und ich wette Dollar gegen Donuts, dass uns das Opfer genau das Gleiche erzählt, wenn es wieder zu sich kommt.«
    Kitteridge versuchte, ein höhnisches Grinsen zu unterdrücken. Statt zu antworten, kletterte er auf meinen verschobenen Schreibtisch, drückte fest gegen die Vertäfelung in der Ecke des Raumes, bis ein Stück der Wand nachgab. Kitteridge entkabelte die dort verborgene Digitalkamera, hüpfte vom Tisch und kehrte zu Holloway zurück. Ich brauchte nicht hinzuschauen, um zu wissen, was sie sahen. Ich hatte Carson bei anderer Gelegenheit einmal Aufnahmen gezeigt, die mit der versteckten Kamera gemacht worden waren.
    Eins muss ich Holloway lassen. Er wusste, wann er geschlagen war.
    »Lassen Sie ihn frei«, sagte er zu einem Untergebenen mit sandfarbenem Haar.
    Nachdem der junge Mann die Plastikfessel durchgeschnitten hatte, half er mir sogar auf die Beine.
    »Sagen Sie, Sergeant«, wandte ich mich, meine Hände massierend, an Holloway. »Warum müssen Verdächtige sich hinknien?«
    »So sind sie leichter zu kontrollieren«, sagte er.
    Wäre ich ein vollkommen unschuldiger Mensch, hätte ich ihn vielleicht geschlagen. Aber in Wahrheit hatte ich Holloway verdient. All die Jahre hatte ich geholfen, Männer zu Fall zu bringen, die womöglich keine Engel waren. Für nicht wenige war ich Gordos Hammer gewesen. Deshalb konnte man mich fesseln und auf die Knie stoßen.
    Deshalb wird mich eines Tages irgendjemand töten.
    Sie nahmen die Kamera mit, aber das war mir egal. Alle Aufnahmen wurden zu einer Festplatte in meinem Privatbüro übertragen. Selbst wenn die Polizei die Beweismittel verlieren sollte, hatte ich noch zwei weitere Kameras und die Sicherungskopie.
    Die Bullen zogen nach und nach aus meinem Büro ab. Außer der Kamera nahmen sie noch den Drehstuhl mit. Holloway war der letzte Uniformierte, der ging. Bevor er über die Schwelle trat, zielte er mit Daumen und Zeigefinger wie mit einem altmodischen Revolver auf mich. Und das war keine leere Geste.
    »Hat man Sie geschlagen?«, fragte Breland mich.
    »Nein.«
    »Wurden Sie verbal attackiert?«
    »Was?«
    »Flüche, Beschimpfungen oder unflätige Sprache?«, fügte er erklärend hinzu.
    »Ich weiß, was das Wort bedeutet, Mann. Wir habenes hier mit Bullen und Killern zu tun. Vielleicht hat irgendjemand geflucht, aber es wär auch ein verdammtes Wunder, wenn nicht.«
    Breland war ein sonderbarer Typ. Er war zehn Jahre älter als ich und sah zehn Jahre jünger aus. Früher hatte er für einen Anwalt gearbeitet, der einen berüchtigten Gangsterboss und dessen Geschäftspartner vertrat. So hatten wir uns kennengelernt. Als der Gangsterboss und sein Anwalt stürzten, brauchte Breland Arbeit. Ich mochte ihn, also schanzte ich ihm hin und wieder ein paar ziemlich ehrliche Jobs zu. Wie sich herausstellte, war er ein loyaler Mensch und, auch wenn ich mit den Raten für sein Honorar gelegentlich in Verzug war, immer zur Stelle, wenn vor meiner Tür Ketten rasselten.
    Kitteridge hatte auf einem der noch intakten Besucherstühle Platz genommen.
    »Gibt es noch weitere Fragen, Detective?«, wollte Breland wissen.
    »Nicht hier.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich nehme Ihren Mandanten zu einer Vernehmung mit auf die Wache, zu einer ausführlichen Vernehmung.«
    »Mr. McGill muss medizinisch versorgt werden.«
    Erst jetzt fiel mir auf, dass die Notfallärzte mich nicht einmal angesehen hatten. Bloß weil ich vorläufig festgenommen war, hatte meine Gesundheit sie einen Dreck geschert.
    »Soll ich Sie zur medizinischen Abteilung von Rikers Island fahren?«
    »Mit welcher Begründung wollen Sie mich denn festnehmen, Mann?«
    »Schon mal was von einem ›unentbehrlichen Zeugen‹ gehört?«

24
    Blut sickerte aus der Platzwunde an meiner linken Schläfe auf das Revers meines Jacketts. Manchmal platschte ein Tropfen auf den blassgrünen Kunststofftisch im Vernehmungsraum.
    »Wir sollten Ihre Wunde versorgen lassen«, sagte Carson Kitteridge.
    »Das kann warten, bis ich zu Hause bin.«
    »Sie bluten auf meinen Tisch«, klagte der Detective.
    »Ich habe nicht darum gebeten, hier zu sein.«
    Carson war nicht glücklich, aber das war ich – vorläufig festgenommen – auch nicht. Er hätte mich auf die Krankenstation des Gefängnisses bringen können, doch er wollte Antworten und wusste aus langer, bitterer Erfahrung, dass ich nicht der Typ war, den er unter Druck setzen konnte. Das Blut war Teil unseres

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