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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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keine große Liebe. Er verachtete mich, und ich pflegte eine gesunde Antipathie gegen ihn. Aber als ich zur Eingangstür ging, wurde mir bewusst, dass er zu den wenigen Leuten gehörte, denen ich jenseits einer Handvoll privater Verbündeter vorbehaltlos vertraute. Ich wusste, dass er mich nicht in einen Hinterhalt locken oder mich mit gefälschten Beweisen zur Strecke bringen würde. Er war der bessere Mensch von uns beiden, und ich konnte ungeachtet möglicher anderer Gefühlsregungen nicht umhin, ihn zu respektieren.
    »Wer ist da?«, rief ich durch die Eingangstür.
    »Polizei«, sagte Kitteridge mit einem aufgesetztenTon falscher Autorität. Ich weiß noch, dass ich dachte, er müsse gut gelaunt sein.
    »Und wen haben Sie da mitgebracht?«, fragte ich. Ich konnte nicht anders. Hin und wieder war es nötig, dem Bullen zu demonstrieren, dass ich ihm einen Schritt voraus war.
    »Sergeant Bethann Bonilla«, antwortete er gemessen, ohne überrascht zu klingen.
    Ich öffnete die Tür. Sergeant Bonilla war um die dreißig, einen Kopf größer als ihr Kollege und einen halben Kopf größer als ich. Sie war schlank, trug jedoch ein unförmiges Kostüm, um mehr Substanz vorzutäuschen. Sie war so weiß wie Kitteridge, aber ihre schwarzen Augen und Haare flüsterten mit dem Akzent ihres Nachnamens.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Lassen Sie uns rein, LT.«
    Als wir alle in meinem Büro saßen, entstand ein Moment der Stille, die wenigen Sekunden, bevor die erste Runde des Hauptkampfes eingeläutet wird und die Hölle losbricht.
    Ein sehr langes Frachtschiff glitt unterhalb der Freiheitsstatue auf dem Hudson River vorüber und inspirierte mich zu Gedanken, die weit aus diesem Raum hinausführten.
    »Sergeant Bonilla ist ein Neuzugang des Morddezernats in Midtown Manhattan«, sagte Kitteridge. »Sie hofft, dass Sie der erste Fisch sind, der ihr ins Netz geht.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich bin ein ziemlich dicker Brocken.«
    Bonilla lächelte auf eine Art, die ich nicht recht zu deuten wusste. Eins war allerdings klar – sie wirkte keineswegs eingeschüchtert.
    »So sollte es sein, der Ansicht war ich schon immer«, bemerkte ich.
    »Was meinen Sie, Mr. McGill?«, fragte Bonilla. Sie hatte eine angenehme, ein wenig heisere Stimme.
    »Man sollte seinen Henker immer vorher kennenlernen. Auf diese Weise hat die Tat nichts Zwielichtiges oder Finsteres. Wenn die Regierung einen umbringt, sollte alles ganz transparent und ohne Heimlichkeiten vonstatten gehen.«
    Wieder dieses Lächeln.
    »Willie Sanderson liegt noch immer im Koma«, warf Kitteridge meine philosophischen Betrachtungen über den Haufen.
    »Sie sollten sagen, dass er noch immer tot ist«, entgegnete ich, »mit nur geringer Hoffnung auf Wiederauferstehung.«
    »Möglicherweise ist sein Zustand auch dauerhaft«, erwiderte Kitteridge in Vorbereitung auf die nächste Attacke.
    Bonillas Blick wurde mir langsam unbehaglich.
    »Wir wüssten gern, was Sie uns über Mr. Sanderson erzählen können«, sagte sie.
    »Meine erste Begegnung mit dem Mann war am verkehrten Ende seiner Faust«, erklärte ich ihr. »Es war dumm, vor dem Verlassen meines Büros nicht auf den Monitor zu blicken. Irgendwann bald werde ich wahrscheinlich wieder so dumm sein.«
    Ich strengte mich mächtig an, witzig zu sein. Vielleicht hatte ich eine Gehirnerschütterung oder so was.
    »Sanderson hat ein langes Strafregister«, ging Kitteridge hörbar aggressiv dazwischen. »Von Sittlichkeitsvergehen über Körperverletzung bis zu versuchtem Mord und Totschlag. Die Ärzte sagen, dass er unter einer chemischen Unausgewogenheit leidet, einer Störung, deren Namen ich nicht mal aussprechen kann. Jedenfalls ruft sie einen Geisteszustand hervor, bei dem er sich laut Juristen und Wissenschaftlern begründet auf Unzurechnungsfähigkeit berufen kann. Er kann nichts dafür, wenn er seine Medikamente nicht nimmt. Aber unsere Ärzte meinen, dass er seit mindestens dreißig Tagen die richtigen Pillen geschluckt hat.«
    Es war eine schöne kleine Rede, die scheinbar keine direkte Antwort erforderte. Also lehnte ich mich nickend zurück.
    »Jetzt will ich was von Ihnen hören«, gab mir Kitteridge das Stichwort.
    Ich zog die Schultern hoch und vermied es, in Bonillas Richtung zu gucken.
    »Sie haben einen Flug nach Albany gebucht«, sagte sie zu meiner kalten Schulter.
    Der Schauder prallte von ihr ab und fuhr durch meinen Körper.
    »Und?«
    »Das wissen Sie ganz genau«, sagte Kitteridge.
    »Wie haben Sie

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