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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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gedimmt wurde, und ein Scheinwerfer die Bühne erleuchtete.
    »Frank«, sagte Jones zu einem stämmigen Mann auf der anderen Seite des Tisches.
    »Ja?«
    »Mach mit ein paar Jungs die Runde und sorg dafür, dass die Leute ruhig sind.«
    Der Mann nickte und verschwand im Halbdunkel.
    Ich wandte mich an Eddie, um meine Fragen zu stellen, doch seine ganze Aufmerksamkeit galt der Bühne.
    Eine braune Frau in einem engsitzenden, goldenen Paillettenkleid trat ins Rampenlicht. Ihr Haar war perfekt, und ihr Körper sah aus, als sei er nur für diesen Abend und diese Bühne geformt worden. Ohne Vorrede begann sie zu Musik vom Band zu singen. Es war ein absolut makelloser Vortrag, kräftig, intonationssicher und voller Gefühl. Sie sang über einen Mann, für den sie sterben würde – und an dem Ausdruck in Eddies Augen erkannte ich, dass er glaubte, dieser Mann zu sein.
    »Kann ich Ihnen etwas zu trinken bringen, Sir?«, flüsterte eine Stimme an meiner rechten Schulter.
    Es war ein kleiner Weißer mit Jimmy-Durante-Nase.
    »Haben Sie einen guten Cognac?«
    »Ja, Sir. Wir haben einen wunderbaren Armagnac.«
    »Bringen Sie mir einen Dreifachen.«
    Die Sängerin schmetterte vier Liebeslieder und verbeugte sich. Ihr Kleid war so tief ausgeschnitten, dass ich beinahe weggeguckt hätte. Das ganze Restaurant brach in Beifall aus. Ich fragte mich unwillkürlich, ob Big Mouth etwas damit zu tun hatte.
    Das Licht im Raum ging wieder an, und die Frau, die nicht älter war als dreißig, kam an unseren Tisch. Sie drängte sich an mir vorbei und gab dem Impresario einen innigen Kuss.
    »Das war wunderschön, Baby«, sagte Jones.
    Sie strahlte.
    »Das ist mein Mädchen, die nächste Whitney Houston«, erklärte mir Jones. »Brenda Flash.«
    Ich lächelte und log sie an. Sie blickte ihrerseits lächelnd in meine Richtung, ohne nach meinem Namen zu fragen.
    Wieder räumte einer der Männer seinen Platz, und Miss Flash setzte sich auf die andere Seite vom Boss. Eine Weile drehte sich das Gespräch am Tisch um das Potential ihrer Karriere. Ich hörte zu und nippte an meinem Glas.
    Der Kellner hatte nicht übertrieben, was den Cognac betraf.
    »Und was wollten Sie mich fragen?«, erkundigte Big Mouth sich fast eine Stunde später.
    Brenda war mit dem Versprechen gegangen, ihren Mann später, wenn er seine Geschäfte erledigt hatte, irgendwo oben zu treffen. Der Laden brummte.
    »Ich wollte Sie fragen, ob Sie einen Mann namens Willie Sanderson kennen.«
    Jones’ täuschend gutmütige Gesichtszüge wurden spitz und gefährlich und erinnerten plötzlich an ein aus der Scheide gezogenes Messer.
    »Warum?«, fragte er.
    Die anderen sieben Männer am Tisch starrten mich an.
    »Er hat versucht, mich umzubringen.«
    »Versucht?«, fragte Jones.
    »Ja. Er hat erst aufgegeben, als ich ihm den Schädel eingeschlagen habe.«
    »Sie sind ein beschissener Lügner«, sagte ein brutaler Typ mir gegenüber, der vom Gewichtheben zu viele Muskeln hatte.
    »Soll ich es Ihnen zeigen?«, fragte ich den Schläger mit der gerunzelten Stirn.
    Der Mann stand auf und gab ein Geräusch von sich, das im Hinterland von Albany möglicherweise irgendetwas bedeutete. Das Auffälligste an ihm war, dass er pechschwarze Haut, jedoch die Gesichtszüge eines Weißen hatte.
    »Setz dich, Sammy«, befahl Jones und dann noch einmal: »Ich hab gesagt, du sollst deinen Arsch pflanzen.«
    Während Sammy tat, wie Sammy geheißen, wandte Jones sich wieder mir zu.
    »Ja«, sagte er. »Ich kenne Willie. Ein Weißer mit einer Vorliebe für die dunklen Seiten des Lebens. Er war früher oft hier. Hat sogar ein oder zwei Mal an diesem Tisch gesessen. Man sagt, er könne bösartig und jähzornig werden, aber in Gesellschaft von Schwarzen war er immer ganz friedlich. Was wollen Sie über ihn wissen?«
    »Alles, was ich rauskriegen kann«, sagte ich. »Ich meine, dieser Willie hat versucht, mich kaltzumachen, dabei hatte ich den Jungen nie zuvor gesehen.«
    Jones sah mich mit hartem Blick an und schien sogar seine lächelnden Delphinlippen zu runzeln.
    »Warum kommen Sie damit zu mir?«
    »Sie sind der Mann.«
    Ich hätte an diesem Tisch sterben können, ohne je erfahren zu haben, was meinem Vater passiert ist, nachdem er nach Chile gegangen war. Niemand hatte uns von seinem Tod benachrichtigt, und ich hatte meiner Mutter auf ihrem Sterbebett ein Versprechen gegeben.
    Während ich diese letzten Gedanken dachte, kam Eddie Jones zu einem Entschluss.
    »Willie hat einen Busfahrer umgebracht, der ihn

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