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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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ihn, angezogen von einem besonderen Magnetismus, wie er auch Gaffer an den Schauplatz eines blutigen Ablebens lockt.
    Mit Gewalt würde ich nicht an ihnen vorbeikommen. Selbst wenn ich eine Knarre gehabt hätte, war davon auszugehen, dass die Jungs ebenfalls alle bewaffnet waren.
    »Bin hier, um Big Mouth zu sehen«, sagte ich mit einem falschen Lächeln.
    »Na und?«, erwiderte der einäugige Kindmann.
    »Ist er da?«
    »Sind Sie da?«, gab der Junge zurück, und ich fragte mich, ob er ein Existentialist oder ein rappender Schwachkopf war.
    Man hat mir erklärt, dass hartes Training den Testosteron-Spiegel eines Mannes in meinem Alter hoch hält. In diesem Moment konnte ich es spüren. Der Zorn, dersich in meinen Schultern aufbaute, war eine Reaktion auf die Annahme des Jungen, er sei besser als ich. Ich atmete tief durch die Nase ein.
    »Meine Freundin Seraphina hat mir erzählt, dass ich hier vorbeikommen soll, wenn ich Jones sprechen will.«
    Einer aus der Posse, ein Jugendlicher in einem locker sitzenden, schillernd grünen Anzug, löste sich von der Gruppe und schlenderte in das Restaurant. »Woher kennen Sie Seraphina?«, fragte der Junge.
    »Spielt das eine Rolle?«
    »Sie sind ein Klugscheißer, wissen Sie das, Mann?«
    »Ja. Das höre ich immer wieder.«
    »Ich könnte Ihnen gleich hier auf der Straße die Fresse polieren«, verkündete er.
    »Mit sechs Mann Verstärkung hätte ich auch eine große Klappe«, erwiderte ich.
    »Was hast du gesagt?«
    »Du hast mich verstanden.«
    »Lass ihn in Ruhe, John-John«, sagte eine vertraute weibliche Stimme.
    Seraphina in einem pinkfarbenen Kleidchen marschierte zwischen die Schmalspur-Capones.
    Sie stellte sich neben mich und fasste mich sogar bei der Hand.
    »Kommen Sie mit mir, Mr. Carter«, sagte meine schlanke, dunkelhäutige Retterin.
    »Sie haben es echt drauf, Ärger zu kriegen, was, Mr. Carter?«, tadelte mich Seraphina, als wir das belebte Etablissement betraten.
    »Ich wollte bloß mit Big Mouth sprechen.«
    »Zu Leuten wie John-John müssen Sie höflich sein«, sagte sie, als wäre sie die Erwachsene und ich das Kind.
    »Ich mag dich, Mädchen.«
    »Sie sind ein Dummkopf.«
    »Kennst du viele Männer, die das nicht sind?«
    Seraphina zum Grinsen zu bringen war womöglich das Schwierigste, was ich in diesem Monat geschafft hatte.
    »Warum haben die mir solchen Stress gemacht?«, fragte ich. »Hier drinnen sitzen doch alle möglichen Gestalten.«
    »John-John und die anderen draußen sorgen dafür, dass die Leute hier friedlich essen können«, sagte sie.
    »Ich bin auch Leute.«
    »Kann schon sein«, sagte sie. »Aber Sie sehen nach Ärger aus. Wenn Sie Big Mouth treffen, nennen Sie ihn auch nicht Big Mouth. Er mag den Namen nicht. In Wirklichkeit heißt er Eddie Jones, doch so will er auch nicht genannt werden.«
    »Wie nennst du ihn?«
    »Eddie.«
    »Verstehe.«
    Sie führte mich zu einem Tisch für sechs Personen hinter einer halbhohen Mauer links von der Bar, an dem acht oder neun Männer hockten. Ich interessierte mich jedoch nur für den Schwarzen mit dem Delphingesicht, der mit dem Rücken zur Wand saß. Das, da war ich mir sicher, war Big Mouth Jones.
    »Hi, Eddie«, sagte Seraphina zu Jones. »Das ist Mr. Carter. Er sagt, er möchte dich etwas fragen.«
    »Ist er ein Freund oder ein Kunde?«, fragte Big Mouth Jones, ohne mich zu beachten.
    »Ein Freund.«
    Ich fragte mich, ob Seraphina mich wegen des Trinkgelds oder wegen der Tatsache mochte, dass ich keinen Sex verlangt hatte. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich sie beinahe zum Lachen gebracht hatte. Bei all seinem linksradikalen Idealismus hatte mein Vater mir oft erklärt: Wenn du älter bist, Leonid, wirst du feststellen, dass manche Frauen von Ärger förmlich angezogen werden . Was immer es war, Jones klopfte auf die Schulter eines dünnen, walnussbraunen Mannes neben sich. Der Junge, der etwa halb so alt aussah wie ich, stand wortlos auf und tummelte sich. Ich drängte mich auf den frei gewordenen Platz an der Rückwand.
    »Schwergewichtler?«, fragte Jones, als ich saß.
    »Nein.« Ich blickte mich um und sah Seraphina weggehen.
    »Woher kennen Sie Seraphina?«
    »Wir unterhalten uns hin und wieder.«
    Jones’ Gesicht war alterslos und unergründlich. Man hätte ihn für fünfunddreißig halten können, obwohl er eher auf die sechzig zuging. Er roch nach ein bisschen zu viel teurem Aftershave und abgestandenem Zigarettenrauch.
    Ich wollte gerade losfragen, als das Licht im Raum

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