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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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Tür hinter ihm in die Mauer gemeißelt war: BRYANT HULL HALL.

36
    Auf dem Weg zum Wagen legte mein hellerhäutiger Bruder die Hand auf meine Schulter. Ich blieb stehen, und er machte einen Schritt zur Seite.
    »Weitergehen«, befahl sein Partner.
    »Damit das klar ist, Freunde«, sagte ich. »Ich gehe, genau wie ihr wollt. Aber fasst mich nicht an, kapiert? Wenn ihr mich festsetzen wollt, ruft die Bullen. Wenn ihr euch prügeln wollt, können wir das gleich hier und jetzt erledigen. Vielleicht kann ich euch nicht beide fertigmachen, aber ich schwöre, ihr werdet es noch monatelang spüren.«
    Vielleicht klang ich ein bisschen irre, doch das war reine Schadensbegrenzung. Ich wollte nicht, dass sie mich herumschubsten und in eine Schlägerei verwickelten. Ich hätte mich mit ihnen geprügelt, aber eigentlich wollte ich schnurstracks zu der Person, die mir helfen konnte, den Hinweis zu entschlüsseln.
    Sie war eine Frau über siebzig, hieß Poppy Pollis, war die ehemalige Leiterin der Stadtbibliothek und sortierte jetzt ehrenamtlich seltene Exemplare und Sammlungen, die den Büchereien vererbt oder von einem wohlhabenden Gönner gespendet worden waren.
    Als ich das Sanatorium verließ, kannte ich Poppys Namen noch nicht, doch, um sie kennenzulernen, musste ich nur die Information der öffentlichen Bibliotheken anrufen. Mit der gewandten Ausdrucksweise eines Universitätsprofessors stellte ich mich als Jonah Rhinehart aus Manhattan vor und erklärte, dass ich gerne jemanden sprechen würde, der lange Jahre für die städtischen Bibliotheken gearbeitet habe und mit ihrer Geschichte vertraut war. Die hilfsbereite Bibliothekarin sagte, es gebe drei entsprechende Personen, von denen ich am ehesten Miss Pollis antreffen würde, die in der Zentralbibliothek in der Washington Avenue arbeitete.
    Bibliothekare sind wunderbare Menschen, auch weil sie sich in der Regel nicht bewusst sind, wie gefährlich Wissen ist. Karl Marx hat die politische Landschaft des 20. Jahrhunderts von einem Bibliothekstisch aus auf den Kopf gestellt. Trotzdem haben moderne Bibliothekare mehr Angst vor Unwissenheit als vor den potenziellen Verheerungen, die Erkenntnis mit sich bringen kann.
    Ich sprach einen jungen Schwarzen an, der an der Information im Erdgeschoss der City-Filiale saß, eine große runde Brille trug und in einem kleinen blau-grauen Band mit dem Titel Leben trotz Geschichte von Leszek Kolakowski las.
    »Gutes Buch?«, fragte ich.
    »Sehr gut«, antwortete der junge Mann und nickte weise. »Sehr gut.«
    »Ich suche Poppy Pollis«, sagte ich, da die Qualität der philosophischen Monographie nun geklärt war.
    »Zweiter Stock«, sagte er.
    Ich bedankte mich und suchte das Treppenhaus.
    Poppy saß an einem riesigen Tisch, auf dem sich zahllose muffige alte Bücher stapelten. Sie war dünn, vermutlich groß, mit kurzem silbergrauem Haar und einemblauen Pulli, der bis zum Hals zugeknöpft war. Die Klimaanlage war viel zu niedrig eingestellt.
    »Sind Sie Miss Pollis?«, fragte ich.
    »Jawohl, die bin ich, junger Mann.«
    »Hallo«, sagte ich und nahm ihr gegenüber Platz. »Mein Name ist Peter Lomax. Ich bin Student am Brooklyn College in New York und schreibe eine Examensarbeit über Mäzenatentum.«
    »Wie überaus interessant.« Die Tatsache, dass ich für einen Studenten schon reichlich angejahrt war, weckte ihren Argwohn nicht. 2008 strengten die Babyboomer, ob schwarz oder weiß, sich mächtig an, die Nase vorn zu behalten.
    »Vielen Dank, das finde ich auch. Wie Sie wissen, sind die wertvollsten Einrichtungen der Kommunen in starkem Maße von Privatspenden abhängig, trotzdem gibt es kaum Forschungsarbeiten zum besseren Verständnis dieser Infrastruktur, dieses sehr persönlichen, wie soll ich es nennen ... Netzwerks von Beziehungen.«
    »Ganz genau«, rief die ältere Dame mit einer leisen Stimme, moduliert von Jahrzehnten stiller Reflexion und Prüfung. »Ohne Unternehmertum wären die Bibliotheken und andere kulturelle Einrichtungen wie Museen und das Opernhaus verloren.«
    »Das denke ich auch«, begeisterte ich mich mit ihr. »Ich weiß, dass jede Beziehung, die sich in einem System wie diesem entwickelt, letztendlich eine ganz individuelle ist, trotzdem möchte ich versuchen, verschiedene Kategorien von Spendern gegeneinander abzugrenzen.«
    Poppy nahm die Brille ab, um ihr Interesse zu unterstreichen.
    »Sie zum Beispiel«, sagte ich, »haben doch bestimmt Beziehungen zu allen möglichen Leuten gepflegt, um den Bestand dieser

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