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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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    Sie nickte. Vielleicht wurden ihre Augen sogar ein wenig feucht.
    »Es war harte Arbeit, aber ich habe jeden Augenblick geliebt.«
    »Ja. Ich bin sicher, es ist eine ebenso schwierige wie dankbare Aufgabe gewesen. Mir ist auch durchaus bewusst, dass sich die Erfahrungen eines Lebens nicht auf ein paar simple Gleichungen reduzieren lassen, die man weiterreichen kann, aber ... ich wollte das Problem dergestalt angehen, dass ich bei der Betrachtung des Mäzenatentums zwischen sogenanntem alten Geld und den Neureichen unterscheide.« Ich vermutete, dass mein Zielobjekt eher in die erste Kategorie fiel.
    »Sehr interessant«, sagte Poppy Pollis. »Das ist tatsächlich eine entscheidende Frage. Leute, die gerade erst zu Reichtum gekommen sind, streben nach einem Platz unter den Wohlhabenden, nach Anerkennung, während die alten Familien ein traditionelles Format haben, mit dem sie gewissermaßen ihren guten Namen wahren ...«
    Sie fuhr fort, mir zu erklären, dass es in der Geschichte Albanys zwölf bedeutende Familien gab. Eigentlich waren es nur elf, aber die Klatschseiten der lokalen Presse hatten den Sampson-Clan hinzugerechnet. Poppy hielt die Sampsons für eine Sippe von mit Gebrauchtwagen handelnden Emporkömmlingen, doch den Zeitungen gefiel die Idee eines runden Dutzends, und so wurden die Sampsons aufgenommen.
    Ich musste mir eine Menge nutzloser Informationenanhören und Fragen stellen, auf die ich keine Antwort haben wollte. Trotzdem machte ich mir eifrig Notizen. Etwa vierzig Minuten später kamen wir zu Familie Hull.
    Laut Poppy war der Hull-Clan im Ganzen eine Dynastie der Ausschweifungen. Maxim Hull, der Urgroßvater, hatte geholfen, die Infrastruktur des modernen Bibliothekswesens in Albany aufzubauen. Angeblich hatte er sein Vermögen an der Seite von Joe Kennedy als Schwarzbrenner und Schmuggler in der Prohibitionszeit gemacht. Außerdem hatte er die zweitgrößte protestantische Kirche der Stadt bauen lassen.
    Maxims Sohn Roman hatte immer das Gefühl gehabt, im Schatten seines Vaters zu stehen, und deshalb versucht, ihn in jeder erdenklichen Beziehung zu übertreffen. Im Alter von achtundfünfzig Jahren hatte er einen jungen, aufstrebenden Rennfahrer erschossen, war für verrückt erklärt worden, hatte vier Jahre im Sunset Sanatorium verbracht und nach seiner Entlassung die junge Witwe des Rennfahrers geheiratet. Die Ehe hielt nur kurz, die Erinnerung an den Skandal umso länger.
    Bryant, Romans Sohn aus einer früheren Ehe, wurde als aktuelles Familienoberhaupt geführt. Soweit bekannt, war er ein aufrechter Bürger. Er hatte das Verwaltungsgebäude des Sunset Sanatoriums gestiftet, war mit einer älteren Frau namens Axel oder Jackson oder so ähnlich verheiratet und hatte zwei wunderschöne Kinder groß gezogen – Hannah und Fritz.
    »Hieß die Frau mit Mädchennamen vielleicht Paxton?«, fragte ich und tat so, als würde ich einen Eintrag in meinem Notizbuch suchen.
    »Ich kann mich nicht mehr genau erinnern, aber ichbin mir sicher, es war nicht Paxton«, sagte sie. »Warum fragen Sie?«
    »Von der Familie Hull hatte ich natürlich schon gehört«, sagte ich. »Ich dachte, Bryant hätte eine Frau namens Paxton geheiratet. Da muss ich mich wohl ge-irrt haben.«

37
    Im Erdgeschoss der Bücherei standen einige frei zugängliche Computer. Mühelos fand ich auf den Klatsch- und Gesellschaftsseiten diverser Zeitungen eine Reihe von Artikeln, denen ich schließlich die genaue Lage der Hull’schen Residenz entnahm. Die Familien-Villa lag an einer Privatstraße, der Road Royale, fünfunddreißig Autominuten nördlich der Stadt.
    Vom Parkplatz der Bibliothek bis zum Tor brauchte ich vierzig Minuten.
    Ich erklärte dem Wachmann, dass ich Mr. Hull eine Sendung von einem Mann namens Jacobi zustellen wollte, einem der Zwölf, wie Poppy Pollis sie nannte.
    Der Wachmann wirkte nicht besonders beunruhigt, und nachdem ich der idyllischen Straße etwa drei Meilen gefolgt war, erkannte ich auch, warum. Das Haus der Hulls war von einem fünf Meter hohen, schwarzen Tor geschützt, das unter Strom stand und mit Stacheldraht gekrönt war. Das Ganze sah aus wie der Landsitz eines reichen Dritte-Welt-Diktators; nicht des Schwippschwagers, sondern des Tyrannen höchstpersönlich.
    Vor dem Tor blieb ich stehen und drückte auf einen roten Knopf.
    Es war ein wunderschöner Tag. Vögel zwitscherten, Wolken hingen anmutig am Himmel und freuten sich angesichts der zunehmenden Hitze über die

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