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Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman

Titel: Manhattan Karma: Ein Leonid-McGill-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Mosley
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besser gemacht. Wenigstens hatte sein Sohn seine Niederlage nicht mit angesehen. Wenigstens das.
    Ich kramte meine Sachen zusammen und ging ein paar Waggons weiter. So würde der junge Vater, falls er neuen Mut oder eine Waffe fand, mich hier nicht vorfinden und hätte ein paar zusätzliche Augenblicke Zeit, die Konsequenzen zu bedenken.
    Auf meinem neuen Sitzplatz fragte ich mich, was für ein Vater Fritz sein würde. Dann dachte ich an meinen eigenen Vater, der mich indoktriniert und dann verlassen hatte. Offenbar gab es eine Welt voller verletzter, halbbewusster Erzeuger, die Streit suchten und dann den Kürzeren zogen.

40
    »Wenn du keine Antworten hast, musst du andere Fragen stellen«, hat mein Vater mir einmal erklärt. Er zitierte einen Mann, der am Ende von Stalins Wahnsinnsherrschaft ein kleinerer Beamter am Rande des inneren Zirkels gewesen war.
    Die Ideologie meines Vaters hatte ich abgelegt, aber seine Logik blieb mir. Deshalb rief ich etwa fünfzehn Meilen außerhalb von Manhattan einen Bekannten bei der Elektrikergewerkschaft an. Er hieß Duffy und hatte schwere Zeiten durchgemacht, als einer seiner Konkurrenten ihn um seine Bombenposition bringen wollte. Ich habe das Gleichgewicht gewissermaßen wiederhergestellt. Ich leistete so gute Arbeit, dass Duffy und sein Rivale gute Freunde wurden.
    »Hallo?«, meldete sich eine junge Frau.
    »Ich möchte Duffy sprechen, bitte.«
    »Er ist in einer Sitzung.«
    »Er ist immer in einer Sitzung. Sagen Sie ihm, es ist Leonid McGill.«
    Zehn Sekunden später war er an der Strippe.
    »Was gibt’s, Schwachkopf?« So begrüßte er jeden.
    Ich erklärte ihm, dass ich in einem Gebäude herumstöbern müsse. Warum, sagte ich nicht.
    »Geht klar«, sagte Duffy. »Welchen Namen benutzt du?«
    »Richard Siles.«
    »Brauchst du Schlüssel?«
    »Nein, ich hab meine eigenen.«
    Er sagte mir, was ich dem Hausverwalter erklären sollte.
    »Uhrzeit?«
    »Heute um eins.«
    »Schon erledigt.«
    »Wir sehen uns«, sagte ich.
    »Nicht, wenn ich dich zuerst sehe.«
    Ich ging in mein Büro, zog einen Overall an, den ich im Kleiderschrank aufbewahrte, und packte ein paar Geräte, einen riesigen Ring mit Generalschlüsseln sowie ein paar Elektrikerwerkzeuge in meinen Werkzeugkasten. Außerdem nahm ich trotz der Außentemperaturen von knapp dreißig Grad einen Mantel mit. Dann fuhr ich mit dem Taxi zu einem großen grauen Wohnhaus etwa fünfzehn Blocks von meiner Wohnung und einen Block vom Broadway entfernt.
    Mit seinen achtundzwanzig Stockwerken überragte das Haus die Nachbargebäude.
    »Was kann ich für Sie tun?«, fragte ein Türsteher in einer blauen Jacke.
    »Richard Siles«, sagte ich und hob die Hand. »Der Elektriker. Jemand sollte Ihnen Bescheid sagen.«
    »Ah, ja«, erwiderte der pummelige Wachmann mit der pinkfarbenen Haut. »Joseph hat gesagt, dass Sie vielleicht vorbeikommen.«
    Er war ein großer Mann über sechzig. Als er jünger war, musste er flinke Fäuste gehabt haben. In seinem Gesicht und auf seinen Fingerknöcheln konnte man die blassen Spuren von Narben ausmachen.
    »Peter Green«, stellte er sich vor. »Worum geht’s eigentlich, Dick?«
    »Entlassungen an der Wall Street. Die städtischen Einnahmen werden in diesem Jahr drastisch sinken«, sagte ich. »Jedenfalls befürchtet man das. Alle großen Gebäude in Manhattan werden auf Verstöße überprüft. So will man einen Teil der Verluste mit Bußgeldern wieder reinkriegen. Deshalb machen wir mit ein paar Kollegen frühzeitige Routineüberprüfungen, um den Leuten vielleicht ein paar Bußgelder zu sparen und uns nebenbei ein paar Jobs zu organisieren.«
    Ich fragte Peter, ob ich meinen Mantel irgendwo aufhängen könnte, und er wies auf eine Kammer hinter seinem Schreibtisch. Danach zeigte er mir eine Tür, die in den Keller führte, und ich ging nach unten und tat eine Weile so als ob.
    Ich fand den Anschluss für die Telefon- und Glasfaserkabel und schloss ein kleines Kästchen an, das Bug mir für einen früheren Job verkauft hatte. Dann spazierte ich herum auf der Suche nach Türen, durch die ich, falls es aus irgendeinem Grund nötig werden würde, nachts ins Haus kommen konnte.
    Ich hatte meinen Mantel nur aufgehängt, um hinter den Schreibtisch zu gelangen und zu überprüfen, was auf den Video-Monitoren des Wachmanns zu sehen war. Sie zeigten lediglich die Haustür, den Hauseingang von außen und die Fahrstuhlkabinen.
    Also atmete ich tief durch und stieg die Treppe hinauf in den 20. Stock. Das wäre

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