Manhattan
verlassen.«
»Hat Madeleine Sie geschickt?«
»Darauf kommt es nicht an.«
»Oder Keneally?«
»Darauf kommt es nicht an.«
»Ich muss es aber wissen!«
Was für ein Wehklagen. Es erinnert mich an meine Situation, dachte Walter. Ja, ich kann verstehen, dass du es wissen willst. Damit du heute Abend, wenn du voller Zorn überlegst, was du tun sollst, einen Namen hast, den du verfluchen kannst.
Walter hob erneut die Flasche. »Auf die Probleme des Herzens.«
»Auf die Probleme des Herzens«, prostete McGuire. »Wer sind Sie, Mann?«
»Unter anderem«, erwiderte Walter, »bin ich der Mann, dem Sie zweitausend Dollar schulden.«
»Aber ich habe die Wette doch gewonnen.«
»Nein, ich habe sie gewonnen«, entgegnete Walter. »Sie ha
ben gar nichts gewonnen. Sie hätten sogar auf das Verliererteam gesetzt.«
»Sie sagten doch, ich wäre vom Haken«, protestierte McGuire.
»Haben Sie gedacht, Sie könnten das alles umsonst haben?«, fragte Walter. »Dass Sie auf dem großen Highway des Lebens einfach nur den Daumen raushalten müssen und jemand Sie mitfahren lässt und Sie überall hinbringt, wohin Sie wollen? Glauben Sie wirklich, Sean, dass das Leben so funktioniert?«
»Sie haben mich reingelegt.«
»Nun ja«, sagte Walter, als wäre es die offenkundigste Sache der Welt. Was es für Walter war.
»Es war so einfach, sich auf den Weg zu machen, nicht wahr?«, fügte Walter weich hinzu. »Eine Schachtel Zigaretten, ein voller Benzintank und ein endloser Highway nach Westen.«
McGuire funkelte ihn böse an, wuchtete sich dann hoch und wühlte ein paar Minuten in seinem Kleiderschrank herum, während Walter sein Bier austrank. Dann reichte McGuire ihm einen Schuhkarton voller Papiere und Fotos.
»Das ist alles?«, fragte Walter.
»Alles.«
»Darf ich aus reiner Neugier fragen«, sagte Walter, »warum Sie diese Dinge aufbewahrt haben?«
»Sie haben mich an eine Zeit erinnert, als mich jemand liebte«, sagte McGuire mit einem Schulterzucken. »Nicht bloß eine Vorstellung von mir.«
»Lieben Sie sie?«
»Nein.«
»Sie lieben die Vorstellung von ihr.«
»Wahrscheinlich.«
McGuire setzte sich wieder auf die Matratze.
»Sie hat mich gebeten, Sie zu retten«, sagte Walter.
»Mich zu retten?«
Walter nickte.
»Vielleicht haben Sie es«, sagte McGuire.
»Ich hoffe es.«
»Was ist mit Ihnen?«, fragte McGuire. »Was machen Ihre Herzschmerzen? Sind Sie mit denen schon zu Rande gekommen?«
»Noch nicht ganz.«
»Nun, wenn es etwas gibt, was ich tun kann …«
»Ach, wissen Sie …«
Madeleine Keneally sah schrecklich aus. Ihre Haut war fahl, ihre Augen gerötet und verquollen. Trotzdem wirkte sie in ihrem grauen Kleid und der Perlenkette noch elegant, als hätte sie schon erwartet, dass Walter Withers anrief und sagte, er werde sie in ihrer Suite im Pierre besuchen.
»Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht«, sagte Walter, als er sich in der französischen Inneneinrichtung umsah, »aber ich finde, dass Deutschland Frankreich behalten sollte, wenn es seinen Nachbarn das nächste Mal erobert.«
Sie machte ein Gesicht entzückten Entsetzens. »Wie können Sie nur etwas so Schreckliches sagen, Walter Withers!«
»Sie haben geweint«, konstatierte Walter.
»Sieht man mir das so deutlich an?«
»Nur bei Tageslicht.«
»Dann gehe ich bis zum Abend nicht aus«, erwiderte Madeleine. »Wollen Sie sich nicht setzen?«
Er überreichte ihr den Schuhkarton und sagte: »Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht, um Sie aufzumuntern.«
Sie nahm den Karton. Ihre Hände zitterten nur leicht, als sie ihn aufmachte und den Inhalt überflog. Sie betrachtete lange
die Briefe, obwohl Walter nicht erkennen konnte, ob sie in Erinnerungen versunken war oder Bedauern.
Schließlich sagte sie: »Walter Withers, Sie lieber Mann.«
»Sie sollten sie verbrennen«, sagte Walter. »Stolpern Sie nicht in die sentimentale Falle.«
»Wie kann ich Ihnen je danken?«
»Sie können mir die Wahrheit sagen«, erwiderte er.
»Worüber?«
Doch da war ein Unterton in der Frage, ein Unterton von Furcht. Und was hörte er da noch heraus? Unausweichlichkeit?
»An dem Morgen, am dem Marta starb, waren Sie in ihrem Zimmer, nicht wahr?«, fragte er.
Sie nickte. Langsam, traurig.
»Warum?«, fragte Walter.
Ihre Stimme war so gedämpft, dass er sich anstrengen musste, sie zu verstehen. »Gott steh mir bei, Walter, ich glaube, ich habe sie getötet.«
Er sagte nichts. Er wartete darauf, dass sie fortfuhr, denn er wusste, dass man ein
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