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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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fraglichen Person vertrauliche geschäftliche Informationen weder erbeten noch erhalten und auch keinerlei Grund dazu. Da Mr. Cernelli den Beruf eines »Tänzers« ausübt, erscheint es angemessen, seine Erklärung in dieser Hinsicht für glaubwürdig zu halten. Gleichwohl schließen die verborgenen sexuellen Neigungen der fraglichen Person jede Sicherheitsklassifizierung aus, die nicht mit dem Vermerk »Hohes Risiko« gekennzeichnet ist (ich beziehe mich hierbei auf Memorandum 328-F vom 19.3.1955, American Electronics, Inc. an Forbes and Forbes, »Einstufungen als Sicherheitsrisiko«). Falls wir Ihnen in dieser Angelegenheit weiterhin dienlich sein oder zu einer weiteren Klärung beitragen können, zögern Sie bitte nicht, sich mit unserem Büro in Verbindung zu setzen.
    Und damit dürfte die Kugel in Michael Howards Hinterkopf landen, dachte Walter. Er beschnitt den Bericht, so dass er in Howards Akte passte, klebte dann ein rotes Fähnchen an die obere rechte Ecke und legte das Ganze in seinen Ausgangskorb.
    Es ist ein Jammer, dachte er, da ich persönlich nichts gegen Michael Howard habe. Doch die Regeln des Jobs sind nun mal so, wie sie sind, und wenn man sie nicht akzeptieren kann, sollte man so einen Job nicht übernehmen. Das gilt für Michael Howard genauso wie für mich.
    Dann nahm er sich seinen Eingangskorb vor und sah, dass die Fledermäuse eine frische Ladung Guano in Form neuer Personalüberprüfungen hingelegt hatten, darunter die Sicherheitsprüfung eines leitenden Angestellten einer Werbeagentur. Walter machte ein paar Anrufe, prüfte einige Referenzen, sprach mit einigen Hauswirten und Lehrern und hakte drei der vier Standard-Überprüfungen ab. Dann unterzeichnete er die Akte – Aktenzeichen DD 00 023, Burbach, David M. – und nahm ein Taxi zu McGuires Wohnung, um ein weiteres loses Ende zu verknoten.
     
    McGuire sah schlecht aus. Sein Gesicht war bleich und aufgedunsen, sein sonst weißes T-Shirt war mit etwas wie Erbrochenem befleckt, und seine Khakihosen waren schmutzig und zerknittert.
    Retten Sie ihn , hatte Madeleine Keneally gebeten. Retten Sie ihn .
    »Es ist wieder so ein Dylan-Thomas-Tag, nicht wahr?«, fragte Walter. Er quetschte sich an McGuire vorbei in die Wohnung.
    »Kann nicht schreiben.«
    »Kein Wunder.«
    »Ich kann nicht schreiben, also trinke ich.«
    »Aber Sie werden zugeben müssen, dass wir hier so etwas wie das Problem von Pferd und Kutscher haben«, sagte Walter. Er zündete eine Zigarette für McGuire an und eine zweite für sich, stellte sich ans Fenster und blickte auf das Village.
    Hier gibt es keine Kästen aus Glas und Stahl, dachte Walter. Jedenfalls jetzt noch nicht.
    »Diese Stadt«, sagte Walter, »ist für mich immer ein magischer Ort gewesen.«
    »Das sind alle Städte.«
    »Nein«, entgegnete Walter. »Ich glaube tatsächlich, dass jeder Mensch eine Stadt seiner Jugend hat und dass kein anderer Ort deren Magie gleichkommt.«
    »Sie hören sich an wie ich«, sagte McGuire glucksend.
    »Wie auch immer«, sagte Walter. »New York ist die Stadt meiner Jugend. Es ist meine Stadt.«
    »Touché.«
    Walter wandte sich vom Fenster ab und sagte: »Aber es ist nicht Ihre.«
    »Nein?«
    »Nein. Für manche Menschen ist diese Stadt magisch. Für andere ist sie Gift«, sagte Walter. »Ich glaube, für Sie ist sie Gift. Ich glaube sogar, Sie sollten sie verlassen.«
    »Glauben Sie das wirklich, Mann?«
    »Ich möchte, dass Sie sie sofort verlassen.«
    McGuire schüttelte den Kopf – nicht um zu widersprechen, sondern um wieder klar denken zu können – und fuhr sich mit den Fingern durch sein fettiges Haar. Er holte zwei Flaschen Knickerbocker aus dem Kühlschrank, öffnete sie und reichte Walter eine davon.
    »Saubere Gläser habe ich nicht«, sagte er und ließ sich auf die Matratze fallen.
    Walter setzte sich auf den Küchenstuhl vor McGuires alter Schreibmaschine, in der ein leeres Blatt steckte, jungfräulich wie Neuschnee in Vermont.
    Walter hob seine Flasche. »Auf Jim Katcavage.«
    »Auf Jim Katcavage.«
    Jetzt trinke ich schon wieder im Dienst, dachte Walter, als ihm das kalte Bier durch die Kehle rann. Ah, schön, manchmal ist das Trinken im Dienst eben der Dienst.
    »Was wollen Sie damit sagen, Mann? Sie wollen, dass ich die Stadt verlasse?«
    Walter nickte. »Was ich will, ist folgendes: Sie sollen mir jeden Brief, jedes Foto, jedes Blatt Papier geben, das Sie mit Madeleine Keneally in Verbindung bringen könnte. Danach wünsche ich, dass Sie die Stadt

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