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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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U-Bahn weit vor Madsen, warf seine Münze ein und eilte über den Bahnsteig, als der Zug in Richtung Downtown einlief.
    Er schaffte es zum zweiten Wagen von vorn und sprang hinein, kurz bevor die Türen zugingen. Er hatte sich gerade hineingequetscht und einen Halteriemen gefunden, an dem er sich festhalten konnte, als der Zug mit einem Ruck anfuhr. Und dann stehenblieb. Die Türen gingen wieder auf und schlossen sich wieder. Als der Zug die Station verließ, vermutete Walter, dass er reichlich Gesellschaft hatte.
    Zwei Stationen weiter tauchte er in der Sardinenbüchse der Grand Central Station auf. Selbst als er sich durch das Chaos hindurchmanövrierte, konnte er Madsen hinter sich spüren, Madsen und vielleicht auch die anderen – denn selbst das, wozu die Mallonettes fähig waren, hatte seine Grenzen –, doch das war in Ordnung so. Er brauchte nur einen Vorsprung aufrechtzuerhalten, einen Vorsprung von wenigen Sekunden.
    Was er mit knapper Not schaffte. Von langsamem Dahintrotten konnte jetzt keine Rede sein, er drehte sich auch nicht dauernd um, denn dies war ein klassisches Titanic-Rennen, ein Sprunglauf – falls man das in einem Bahnhof von Manhattan zur Hauptverkehrszeit sagen konnte – zu den Schließfächern auf der Hauptebene. Er tastete in der Tasche nach dem Schlüssel und zog ihn heraus. Für eine langwierige Fummelei war jetzt keine Zeit. Er erreichte die Hauptebene, schob sich durch zur Wand mit den Schließfächern und steckte den Schlüssel, den Dieter ihm zugesteckt hatte, ins Schloss. Seine Hand zitterte leicht, als er das Schließfach öffnete und den braunen Umschlag herausnahm. Er lachte, lachte laut und brach dann fast in Tränen aus.
    Manchmal, dachte Walter, kommt die Rettung mit Engelstrompeten und der donnernden Stimme Gottes. Und manchmal kommt sie als der letzte Wille und das Testament eines Päderasten und Zuhälters, der immer ein Gentleman war,
was auch immer er sonst sein mochte. Also Gott segne Dieter. Segne ihn und nimm ihn zu dir.
    Auf der Straße leistete Walter sich den Luxus, sich umzudrehen, und sah, dass er einen beträchtlichen Vorsprung vor einer Karawane hatte, die sich nach Kräften abmühte. Madsen, Zaif und Keneallys Schläger folgten einander auf der 42. Straße und versuchten, ihn einzholen, und das auch noch unauffällig.
    Walter beschleunigte das Tempo. Er hatte zum Essen einen Tisch reserviert und war jetzt schon verspätet.
    Er hatte sich entschlossen, sein vielleicht letztes Dinner in New York in The Palm einzunehmen, der alten Journalistenkneipe in der East 53. Er mochte Geist, Einfachheit und gutes Essen, und The Palm bot das alles. Karikaturen von Zeitungscartoonisten, die von anderen Zeitungscartoonisten gezeichnet worden waren, stellten den spärlichen, aber ausreichenden Schmuck der dunklen, holzgetäfelten Wände dar. Die Tische waren ebenfalls aus Holz mit einfachen, geraden Stühlen, und der kräftige Rotwein wurde in Saftgläsern serviert. Überdies ließen sich die Kellner von ihrer Kundschaft nicht sonderlich beeindrucken. Sie bedienten die Reporter, Künstler, Redakteure und gelegentlich auch Werbeleute mit einer Art dreistem Wohlwollen, wobei sie ganz allgemein davon ausgingen, dass die Gäste wegen des guten Essens kamen und nicht, um sich den Hintern küssen zu lassen.
    Ebenso wenig wurden die Kellner im Palm mit kunstvollen Beschreibungen der Gerichte belastet. The Palm bot Steaks – Sirloin, Tenderloin, T-Bone-Steaks und New York-Steaks, die so groß waren, dass sie über die Ränder der übergroßen Teller lappten. Oh, man bekam auch durchaus ein Schweinekotelett, einen Hamburger oder auch ein Hähnchen, wenn man einfach hereinspazierte und nicht wusste, was die kleine Knei
pe in Wahrheit war – das beste Steakhaus von New York City.
    Vermutlich das beste Steakhaus zwischen dem Atlantik und den Rangierbahnhöfen Omahas, dachte Walter, und die Bedienung war so schnell, wie man es von einem Restaurant mit einer Kundschaft erwarten konnte, die ständig Deadlines einzuhalten hatte. Ja, das Palm hatte die Aufgabe, seine Gäste mit Steaks, Alkohol und vielleicht einer Kartoffel abzufüllen und sie dann wieder auf die Straße zu schaufeln, damit sie die Geschichten aus der Stadt weiterschreiben konnten. Es war kein Zufall, dass Walter für sein potenzielles Abschiedsessen gerade dieses Lokal gewählt hatte.
    Erstens lag es auf der East Side, und da er später nach Westen musste, lenkte er seine Verfolger damit in die falsche Richtung.

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