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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Armbanduhr. Es war 15.45 Uhr, und damit hatte er den Nachmittagsdurchlauf der Fledermäuse um volle fünfundvierzig Minuten verpasst. Folglich konnte die
Howard-Akte mit dem daran gehefteten ergänzenden Korrekturformular erst am nächsten Morgen um zehn Uhr wieder ins System geschleust werden. Er setzte sich hin, tippte den Bericht neu, fand ein leeres Formular IA 141 in einer Schreibtischschublade und füllte es aus. Unter dem Abschnitt mit der Überschrift ERKLÄRUNG DES IRRTUMS schrieb er: »Unabsichtliche Vertauschung der Zahlen Nummer drei und vier im Aktenzeichen.«
    Als er diese Aufgabe beendet hatte – ein loses Ende, das sich immer wieder löst, dachte er –, läutete das Telefon.
    »Mr. Withers«, sagte Mallon. »Sie sind ein sehr gefragter Mann!«
    »Ist das wahr?«
    »O ja. Hier unten warten an jeder Tür Freunde auf Sie.«
    Wenn es doch nur so wäre, dachte Walter, als er auflegte. Wer konnte das da unten sein? Bestimmt Madsen und Stone, vielleicht mit ein paar Helferlein, dann wären da noch Sam Zaif und eventuell auch noch Keneallys Jungs … Und vielleicht wollen die glücklichen Leute, die mich am Boat Basin erwarten, doch nicht so lange warten, und …
    Was soll das Gejammer, dachte er. Reiß dich zusammen, mein Junge. Noch hast du ein paar Asse im Ärmel. Erstens, auch wenn es deinem Selbstbewusstsein schaden könnte, versuch dir zu merken, dass sie nicht dich wollen, sondern die Tonbänder. Zweitens, von dem versammelten Mob da unten wird niemand auf dich losgehen, bis sie einigermaßen sicher sein können, dass du die Bänder hast. Und drittens können sie dich kaum mitten in Manhattan zur Rushhour schnappen.
    Was mich alles zum vierten Punkt bringt, dachte Walter, der tatsächlich ein wenig egozentrisch ist, aber Tatsache bleibt Tatsache: Dies ist meine Stadt.
    Ich habe den Heimvorteil und die Menschenmassen auf
meiner Seite, und wenn ich nichts weiter tun muss, als einen verzweifelten Cop, zwei FBI -Agenten, einige gedungene Schläger und ein paar professionelle Killer abzuhängen und die Ware um neun an die Feinde meines Landes zu übergeben, dann ist es eben das, was ich zu tun habe.
    Und falls in meiner verzweifelt geplagten Psyche die kräfteraubende Frage auftauchen sollte – wie kannst du tun, was du heute Abend tun musst? –, nun, die Antwort steckt schon in der Frage, nicht wahr, mein Junge?
    Er stand auf und zog die Jalousien hoch. Manhattan in der Abenddämmerung war einer seiner liebsten Anblicke. Wenn die Stadt sich langsam wandelte, den grauen Tagesanzug ablegte und Pastelltöne annahm, um schließlich schwarze und funkelnde Abendkleidung anzulegen, war das eine Verwandlung, die seine erschöpfte Seele meist beruhigte.
    Auf dem gegenüberliegenden Gebäude spiegelte sich der Sonnenuntergang in schwachem Orange. Er sah, wie 16 C aufstand und ans Fenster trat. Diesmal winkte Walter. Es konnte nicht schaden, Manieren zu zeigen.
    16 C winkte zurück, langte dann nach unten und hielt etwas ans Fenster. Ein Schild. Mit einer Telefonnummer. Dann ließ 16 C die Jalousien herunter, und das Licht ging aus.
    Schön, schön, schön, dachte Walter. Schön, schön, schön.
    Er griff zum Telefon und rief unten in der Lobby an.
    »Mallon«, fragte er gleichmütig. »Wie würde es Ihnen gefallen, einen kleinen Aufruhr anzuzetteln?«
    Sehr, wie sich herausstellte. Als Walter den Fahrstuhl verließ und die Halle voller Menschen betrat, ging Mallon, der in seiner scharlachroten Uniform hinter seinem Tresen eine prachtvolle Figur abgab, zum Zeitungsstand hinüber und trat an Detective Sergeant Samuel Zaif heran, der im Augenblick nichts anderes tat, als herumzulungern.
    Mallon packte Zaif mit eisernem Griff am Handgelenk und brüllte: »Halt, Sie Dieb! Ich habe genau gesehen, wie Sie diese Brieftasche genommen haben!«
    Während Mallons Darbietung in Walters Augen der Subtilität eines, sagen wir, Alec Guinness entbehrte, hatte sie doch die volltönende Wucht eines Laurence Olivier, und die meisten Männer in der Halle griffen sofort mit den Händen in ihre Jacken, um nachzuprüfen, ob die Brieftasche noch da war.
    Walter nicht. Er ging weiter und schlug zunächst einen weiten Bogen nach rechts, um zum Ausgang auf die 48. Straße zu kommen, und kehrte dann auf giffordeske Art gegen den Strom zurück und ging die Treppe zur U-Bahn hinunter. Er ging erst hinunter und dann hinaus, und das verschaffte ihm die paar Sekunden, die er brauchte, um das freie Feld zu erreichen.
    Nun ja, das und

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